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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nicht Einhalt geboten. Ich habe gelacht. Lieber Gott, vergib mir! Orlandi hat die Stätte mit Nuklearsprengköpfen dem Erdboden gleichgemacht, mit denen sie … den Dschungel bezwangen … Fiberplastikmatrix.« Hoyt sah den Konsul direkt an und machte eine verzerrte Geste mit der rechten Hand. »Anfangs wirkten die Schmerzstiller ganz gut. Aber jedes Jahr … jeden Tag … wurde es schlimmer. Sogar in der Fuge … die Schmerzen. Ich hätte sowieso zurückkehren müssen. Wie konnte er … Sieben Jahre! O Gott«, keuchte Pater Hoyt und krallte sich in den Teppich.
    Der Konsul handelte rasch, injizierte die ganze Ampulle Ultramorph direkt in die Achselhöhle, fing den Priester auf, als dieser zusammenbrach, und ließ die bewusstlose Gestalt behutsam zu Boden gleiten. Mit verschwommenem Blick riss der Konsul Hoyts schweißnasses Hemd auf und warf die Fetzen beiseite. Sie war selbstverständlich da, lag unter der blassen Haut von Hoyts Brust wie ein großer, roher, kreuzförmiger Wurm. Der Konsul holte tief Luft und drehte den Priester langsam um. Die zweite Kruziform war dort, wo er sie erwartet hatte, ein etwas kleinerer kreuzförmiger Wulst zwischen den knochigen Schulterblättern des Mannes. Sie regte sich leicht, als die Finger des Konsuls über die fiebrige Haut strichen.

    Der Konsul bewegte sich langsam, aber zielstrebig: Er packte die Habseligkeiten des Priesters zusammen, brachte den Raum in Ordnung, zog den bewusstlosen Mann mit der zärtlichen Sorgfalt von jemand an, der den Leichnam eines toten Familienmitglieds bekleidet.
    Das Komlog des Konsuls summte. »Wir müssen los«, sagte Oberst Kassads Stimme.
    »Wir kommen«, erwiderte der Konsul. Er codierte das Komlog, damit es Mannschaftsklone rief, die das Gepäck holten, aber Pater Hoyt hob er selbst hoch. Der Priester schien fast nichts zu wiegen.
    Die Tür der Knospe weitete sich, der Konsul ging hinaus und trat aus dem Schatten des Astes in den blaugrünen Schein der Welt, die den Himmel ausfüllte. Er überlegte sich, was für eine Geschichte er den anderen als Tarnung erzählen sollte, hielt einen Augenblick lang inne und sah dem schlafenden Mann ins Gesicht. Dann sah er hinauf zu Hyperion und ging weiter. Selbst wenn das Schwerefeld dem vollen Erdstandard entsprochen hätte, wäre der Mann auf seinen Armen keine Last gewesen.
    Der Konsul, der selbst einmal Vater eines inzwischen toten Kindes gewesen war, erlebte erneut das Gefühl, einen schlafenden Sohn zu Bett zu bringen.

ZWEITER TEIL
    Es war ein warmer, regnerischer Tag in Keats, Hyperions Hauptstadt, gewesen, und auch als der Regen aufgehört hatte, zog noch eine dichte Wolkendecke langsam und träge über der Stadt dahin und erfüllte die Atmosphäre mit dem salzigen Geruch des zwanzig Kilometer westlich gelegenen Ozeans. Gegen Abend, als das graue Tageslicht in graue Dämmerung überging, erschütterte ein zweifacher Überschallknall die Stadt und hallte von dem Berggipfel im Süden wider. Die Wolken glühten blauweiß. Eine halbe Minute später brach der graue Rumpf eines Ebenholzraumschiffs durch die Wolkenschicht und sank mit rot und grün blitzenden Navigationslichtern auf einer Säule Fusionsflammen herab.
    Bei eintausend Metern leuchteten die Landefanale des Raumschiffs auf, und drei Strahlen gebündelten Lichts vom Raumhafen nördlich der Stadt schlossen das Schiff zum Willkommen in einen rubinroten Dreifuß ein. Das Raumschiff schwebte in dreihundert Metern Höhe, glitt mühelos zur Seite und sank dann schwerelos in eine wartende Rückstoßgrube.
    Hochdruckwasserstrahlen ergossen sich über Grube und Heck des Schiffs und stoben als Dampfwolken empor, die sich mit den Nieselregenvorhängen vereinten, die über die gepflasterte Fläche des Raumhafengeländes wehten. Als die Wasserdüsen zu speien aufhörten, war nur noch das Flüstern des Regens und das gelegentliche Knacken des sich abkühlenden Raumschiffs zu hören.
    Zwanzig Meter über der Grubenmauer fuhr ein Balkon aus dem Schott des Schiffes. Fünf Gestalten traten heraus. »Danke für den Flug, Sir«, sagte Oberst Kassad zum Konsul.

    Der Konsul nickte, beugte sich über das Geländer und atmete mit tiefen Zügen die frische Luft ein. Regentropfen perlten auf seinen Schultern und Augenbrauen.
    Sol Weintraub nahm sein Baby aus dem Tragegurt. Veränderungen des Luftdrucks, der Temperatur, des Geruchs, der Geräuschkulisse oder eine Mischung aus allem hatten das Mädchen aufgeweckt, und nun weinte es nach Herzenslust. Weintraub

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