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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Gepäck durch den Eingang an der Marsh Lane traten.
    »Himmel hilf!«, murmelte Martin Silenus.
    Das Cicero’s sah aus, als wäre es von Barbarenhorden überfallen worden. Jeder Stuhl war belegt, jeder Tisch besetzt, überwiegend von Männern, und auf dem Boden wimmelte es von Rucksäcken, Waffen, Schlafsäcken, veralteter Komausrüstung, Rationenkartons und allem Drumherum einer Flüchtlingsarmee  – oder möglicherweise einer Armee von Flüchtlingen. Die dicke Luft, die einmal vom Geruch brutzelnder Steaks, Wein, Stim, Bier und N-freiem Tabak erfüllt gewesen war, war nun von den säuerlichen Gerüchen ungewaschener Leiber, Urin und Hoffnungslosigkeit durchdrungen.
    In diesem Augenblick schälte sich die hünenhafte Gestalt von Stan Leweski aus dem Halbdunkel. Die Unterarme des Barbesitzers waren riesig und schwer wie immer, aber seine Stirn war mehr als nur ein paar Zentimeter zum zurückweichenden Ansatz des verfilzten schwarzen Haars hochgerutscht, und er hatte mehr Fältchen um die dunklen Augen als dem Konsul im Gedächtnis waren. Diese Augen waren jetzt aufgerissen, als Leweski den Konsul anstarrte. »Geist«, sagte er.
    »Nein.«
    »Sie sind nicht tot?«
    »Nein.«
    »Verdammt!« Stan Leweski packte den Konsul an den Oberarmen und hob ihn so mühelos hoch wie ein Mann einen Fünfjährigen. »Verdammt! Sie sind nicht tot. Was machen Sie hier?«
    »Deine Schanklizenz überprüfen«, sagte der Konsul. »Lass mich runter.«
    Leweski setzte den Konsul vorsichtig ab, klopfte ihm auf die

     
    Schulter und grinste. Er sah Martin Silenus an, und das Grinsen wurde zu einem Stirnrunzeln. »Sie kommen mir bekannt vor, aber ich habe Sie noch nie gesehen.«
    »Ich habe Ihren Urgroßvater gekannt«, sagte Silenus. »Dabei fällt mir ein, haben Sie noch etwas von diesem Prä-Hegira-Bier? Diesem warmen, britischen Zeug, das wie wiederaufbereitete Elchpisse schmeckt? Davon konnte ich nie genug bekommen.«
    »Nichts mehr da«, sagte Leweski. Er deutete auf den Dichter. »Verdammt! Großvater Jiris Truhe. Das alte Holo des Satyrs im ursprünglichen Jacktown. Kann das sein?« Er sah Silenus an, dann den Konsul und berührte beide zaghaft mit einem massiven Zeigefinger. »Zwei Geister.«
    »Sechs müde Reisende«, sagte der Konsul. Das Baby fing wieder an zu weinen. »Sieben. Hast du Platz für uns?«
    Leweski drehte sich mit ausgebreiteten Armen und nach oben gekehrten Handflächen im Halbkreis um. »So ist es überall. Kein Platz mehr. Kein Essen. Kein Wein.« Er blinzelte Martin Silenus zu. »Kein Bier. Wir sind zu einem großen Hotel ohne Betten geworden. Die Drecksäcke von der SST wohnen hier, ohne zu bezahlen, saufen ihr eigenes Gesöff vom Land und warten auf das Ende der Welt. Das, glaube ich, ziemlich bald kommen wird.«
    Die Gruppe stand im ehemaligen Entresol. Ihr aufgestapeltes Gepäck bildete eine fröhliche Eintracht mit dem Wirrwarr anderer Ausrüstung, die schon dort verteilt lag. Kleine Gruppen von Männern bahnten sich einen Weg durch das Gewimmel und warfen den Neuankömmlingen abschätzende Blicke zu – besonders Brawne Lamia. Sie erwiderte ihr Gaffen ungerührt mit kaltem Blick.
    Stan Leweski betrachtete den Konsul einen Augenblick lang. »Ich habe einen Balkontisch. Fünf von diesen Todeskommandos der SST sitzen seit einer Woche dort und erzählen allen
und jedem, wie sie die Legionen der Ousters mit bloßen Händen auslöschen werden. Wenn ihr den Tisch haben wollt, werfe ich die Blutsauger raus.«
    »Ja«, sagte der Konsul.
    Leweski hatte sich bereits abgewandt, als Lamia ihn mit einer Hand auf seinem Arm aufhielt. »Können Sie Hilfe gebrauchen?« , fragte sie.
    Stan Leweski grinste und zuckte mit den Achseln. »Ich brauche sie nicht, aber sie könnte mir nützen. Kommen Sie!«
    Die beiden verschwanden in der Menge.
     
    Der Balkon im dritten Stock bot gerade ausreichend Platz für einen gesplitterten Tisch und sechs Stühle. Trotz des irrsinnigen Gedränges auf den Hauptetagen hatte ihnen niemand den Platz streitig gemacht, nachdem Leweski und Lamia die protestierenden Todeskommandos über das Geländer in den neun Meter tiefer gelegenen Fluss geworfen hatten. Irgendwie war es Leweski gelungen, eine Kanne Bier und einen Korb Brot mit kaltem Rindfleisch hochzuschicken.
    Die Gruppe aß schweigend und litt eindeutig an mehr als dem üblichen Hunger, der Müdigkeit und den Depressionen nach der Fuge. Die Dunkelheit auf dem Balkon wurde nur von trübem reflektiertem Licht unten im Cicero’s und den

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