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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Becken und Pumpe möglich war, zog eine weite Baumwollhose, ein altes Segeltuchhemd und Schuhe mit Schaumstoffsohlen an, dann begab er sich auf das Mitteldeck.
    Das Frühstück war auf einem verwitterten Tisch aufgebaut worden, der in die Decksplanken versenkt werden konnte. Ein Baldachin spendete dem ganzen Abschnitt Schatten, die scharlachrote und goldene Leinwand flatterte in der Brise des Fahrtwinds. Es war ein herrlicher, wolkenloser, strahlender Tag, und Hyperions Sonne machte durch sengende Glut wett, was ihr an Größe fehlte.
    M. Weintraub, Lamia, Kassad und Silenus waren schon einige Zeit wach. Lenar Hoyt und Het Masteen gesellten sich wenige Minuten nach Eintreffen des Konsuls zu der Gruppe.
    Der Konsul nahm sich gerösteten Fisch, Obst und Orangensaft vom Buffet und trat dann an die Reling. Das Wasser war an dieser Stelle breit, mindestens einen Kilometer von Ufer zu Ufer, sein grüner und türkisfarbener Schimmer spiegelte den Himmel. Auf den ersten Blick erkannte der Konsul das Land auf beiden Seiten des Flusses nicht. Im Osten erstreckten sich periskopartige Bohnenstangen bis in die dunstige Ferne, wo die aufgehende Sonne sich in tausend überfluteten Oberflächen spiegelte. An Kreuzungen von Bewässerungsgräben waren einige Eingeborenenhütten zu sehen, deren schiefwinklige Wände aus gebleichtem Wehrholz oder goldener Halbeiche bestanden. Im Westen war das Flachland am Ufer entlang von niedrigen Gissenranken, Frauenhainwurzeln
und einem leuchtend roten Farn überwuchert, den der Konsul gar nicht kannte, und das alles wuchs um sumpfige Marschen und winzige Lagunen herum, die sich etwa einen Kilometer bis zu Klippen erstreckten, wo Immerblaubüsche sich an jeden bloßen Fleck zwischen den Granitfelsen klammerten.
    Einen Augenblick lang fühlte sich der Konsul verirrt und desorientiert auf einer Welt, die er gut zu kennen glaubte, aber dann fiel ihm die Warnsirene bei den Schleusen von Karla wieder ein und ihm wurde klar, dass sie sich auf einem selten befahrenen Abschnitt des Hoolie nördlich von Doukhobor’s Wäldchen befanden. Der Konsul hatte diesen Abschnitt des Flusses nie gesehen, da er stets auf dem Königlichen Transportkanal, der westlich der Klippen lag, gereist oder darüber hinweggeflogen war. Er konnte nur annehmen, dass eine Gefahr oder Störung auf dem Hauptschifffahrtsweg zum Grasmeer sie gezwungen hatte, auf Nebenarme des Hoolie auszuweichen. Er schätzte, dass sie etwa hundertachtzig Kilometer nordwestlich von Keats waren.
    »Bei Tageslicht sieht alles anders aus, nicht?«, sagte Pater Hoyt.
    Der Konsul sah wieder zum Ufer und war nicht sicher, wovon Hoyt sprach; dann ging ihm auf, dass der Priester die Barke meinte.
    Es war seltsam gewesen – sie waren dem Androiden durch den Regen gefolgt, hatten sich an Bord der alten Barke begeben, sich einen Weg durch deren Irrgarten mosaikförmiger Räumlichkeiten und Passagen gesucht, Het Masteen bei den Ruinen des Tempels abgeholt und schließlich gesehen, wie die Lichter von Keats achtern zurückblieben.
    Der Konsul erinnerte sich an diese Stunden vor und nach Mitternacht wie an einen von Müdigkeit getrübten Traum, und er stellte sich vor, dass die anderen ebenso erschöpft und desorientiert gewesen sein mussten. Er erinnerte sich auch vage an
seine Überraschung, dass die Mannschaft der Barke ausschließlich aus Androiden bestand, aber am deutlichsten war ihm die Erleichterung im Gedächtnis geblieben, als er endlich die Tür seiner Kabine hinter sich zumachen und ins Bett fallen konnte.
    »Ich habe heute Morgen mit A. Bettik gesprochen«, sagte Weintraub und meinte damit den Androiden, der sie geführt hatte. »Die alte Schaluppe hat einiges mitgemacht.«
    Martin Silenus ging zum Buffet, um sich noch Tomatensaft einzuschenken, fügte einen Schuss aus dem Flakon zu, den er bei sich hatte, und sagte: »Ja, sie ist eindeutig herumgekommen. Die verdammte Reling ist ölig von Händen, die Treppe von Füßen ausgetreten, die Decken vom Ruß der Lampen geschwärzt und die Betten von Generationen von Rücken durchgelegen. Ich würde sagen, sie ist ein paar Jahrhunderte alt. Die Schnitzereien und Rokokoschnörkel sind prachtvoll. Ist jemand aufgefallen, dass die Einlegearbeit hier über allen anderen Gerüchen immer noch nach Sandelholz riecht? Würde mich nicht überraschen, wenn dieses Ding noch von der Alten Erde stammt.«
    »Genauso ist es«, sagte Sol Weintraub. Rachel, das Baby, schlief auf seinem Arm und blies beim Atmen leise

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