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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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die Lanzen der Höllenpeitschen das Terrain zerfetzten. Und noch ehe er schlief, als er auf der Schubdüse des EMV saß und kopfschüttelnd versuchte, leuchtende Geisterbilder hinter den Augen zu vertreiben, kam sie. Sie trug ein hellblaues Kleid und schritt leichtfüßig zwischen verdorrten Burrpflanzen auf dem Hügel dahin. Der Wind hob den Saum des leichten Stoffs ihres Kleids. Ihr Gesicht und ihre Arme waren blass, fast durchscheinend. Sie rief seinen Namen – er konnte die Worte beinahe hören –, dann rollte die zweite Feuersalve über die Ebene und alles ging in Lärm und Flammen unter.
     
    Wie es in einem Universum, das offenbar von Ironie beherrscht wird, manchmal geschieht, überstand Fedmahn Kassad
siebenundneunzig Tage der schlimmsten Kämpfe, die die Hegemonie je erlebt hatte, ohne einen Kratzer abzubekommen, wurde jedoch zwei Tage, nachdem die letzten Ousters zu ihren fliehenden Schwarmschiffen zurückgekehrt waren, verwundet. Er befand sich im öffentlichen Verwaltungszentrum in Buckminster, einem von nur drei Gebäuden, die in der Stadt noch standen, und gab brüske Antworten auf die dummen Fragen eines Nachrichtenreporters aus dem Weltennetz, als eine Plasmafalle, die nicht größer als ein Mikrochip war, fünfzehn Stockwerke weiter oben explodierte, den Reporter und zwei von Kassads Attachés durch das Ventilatorgitter auf die Straße hinauspustete und das Gebäude über ihm zusammenstürzen ließ.
    Kassad wurde ins Divisions-HQ gebracht und dann an Bord des Sprungschiffes gefarcastet, das sich im Orbit um Bressias zweiten Mond befand. Dort wurde er wiederbelebt und ans Lebenserhaltungssystem angeschlossen, während hohe Militärs und Politiker der Hegemonie entschieden, was man mit ihm machen sollte.
    Aufgrund der Farcasterverbindung und der Echtzeit-Medienberichterstattung von Bressia war Oberst Fedmahn Kassad eine Art cause célébre geworden. Die Milliarden, die von der beispiellosen Brutalität des Feldzugs auf Südbressia abgestoßen waren, hätten es gerne gesehen, wenn er vor ein Kriegsgericht gestellt oder wegen Kriegsverbrechen angeklagt worden wäre. Präsidentin Gladstone und viele andere aber betrachteten Kassad und die übrigen Befehlshaber von FORCE als Retter.
    Letztendlich wurde Kassad auf ein Lazarett-Spinschiff gebracht, das den langen Rückflug ins Weltennetz antrat. Da die meisten Operationen ohnedies in der Fuge vorgenommen wurden, war es einigermaßen logisch, die alten Lazarettschiffe an den Schwerverwundeten und wiederbelebungsfähigen
Toten arbeiten zu lassen. Sobald Kassad und die anderen Patienten das Weltennetz erreichten, würden sie wieder für den aktiven Dienst bereit sein. Aber wichtiger war: Bis dahin hatte Kassad eine Zeitschuld von mindestens achtzehn Standardmonaten angesammelt, und die Kontroversen um seine Person sollten sich gelegt haben.
     
    Kassad wachte auf und sah die dunkle Gestalt einer Frau, die sich über ihn beugte. Einen Augenblick lang war er überzeugt, sie wäre es, doch dann sah er, dass es sich um eine FORCE-Ärztin handelte.
    »Bin ich tot?«, flüsterte er.
    »Sie waren es. Sie sind an Bord der HS Merrick. Sie haben verschiedene Wiederbelebungen und Erneuerungen durchgemacht, können sich aber wegen des Fugenkaters wahrscheinlich nicht daran erinnern. Wir sind bereit für den nächsten Schritt der Physiotherapie. Glauben Sie, Sie können gehen?«
    Kassad bedeckte die Augen mit einem Arm. Trotz der Desorientierung nach der Fuge erinnerte er sich jetzt an die schmerzhaften Therapiesitzungen, die endlosen Stunden in den RNS-Virusbädern und die Operationen. Am deutlichsten an die Operationen. »Wie ist unser Kurs?«, fragte er, ließ die Augen dabei aber abgeschirmt. »Ich habe vergessen, wie wir ins Netz zurückreisen.«
    Die Ärztin lächelte, als wäre das eine Frage, die er jedes Mal gestellt hatte, wenn er aus der Fuge erwachte. Vielleicht hatte er das sogar. »Wir reisen über Hyperion und Garden«, sagte sie. »Wir gehen gerade in den Orbit über …«
    Die Frau wurde vom Lärm des Endes der Welt unterbrochen  – riesige Posaunen bliesen, Metall riss, Furien kreischten. Kassad rollte sich vom Bett und wickelte die Matratze um sich, während er in der Schwerkraft von einem Sechstel ge fiel. Orkanartige Winde zerrten ihn über das Deck und wirbelten
Krüge, Tabletts, Schlafanzüge, Bücher, Metallinstrumente und zahllose andere Gegenstände an ihm vorbei. Männer und Frauen schrien, ihre Stimmen schwollen zu einem schrillen Falsett

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