Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
an, während die Luft aus der Station entwich. Kassad spürte, wie die Matratze gegen die Wand prallte; er sah zwischen geballten Fäusten hindurch.
    Einen Meter von ihm entfernt versuchte eine fußballgroße Spinne mit wild zuckenden Beinen sich durch einen Riss zu zwängen, der sich in dem Schott aufgetan hatte. Die tentakelartigen Beine des Dings schienen nach Papier und anderen Trümmern zu greifen, die herumflogen. Die Spinne drehte sich – und Kassad erkannte, dass es der Kopf der Ärztin war; sie war bei der Explosion enthauptet worden. Ihr langes Haar wirbelte ihm ins Gesicht. Dann wurde der Riss so breit wie eine Faust und der Kopf wurde hinausgesaugt.
    Kassad zog sich nach oben, als der Spierarm aufhörte, sich zu drehen, und es kein »Oben« mehr gab. Die einzigen Kräfte waren nun der orkanartige Wind, der immer noch alles in der Station in Richtung der Risse und Sprünge im Schott fegte, und das Übelkeit erregende Schlingern und Torkeln des Schiffes. Kassad schwamm gegen das alles an und zog sich zur Tür zum Korridor des Spierarms, wobei er jeden Halt ausnützte, der sich bot, und sich die letzten fünf Meter freistrampelte. Ein Metalltablett traf ihn über dem Auge, ein Leichnam mit blutenden Augen riss ihn um ein Haar wieder in die Station zurück. Das luftdichte Notfallschott prallte nutzlos gegen einen toten Marine im Raumanzug, dessen Körper verhinderte, dass der Mechanismus einrasten konnte. Kassad rollte sich in den Schacht des Spierarms und zog den Leichnam mit sich. Das Schott fiel hinter ihm zu, aber in dem Schacht war nicht mehr Luft, als in der Station gewesen war. Irgendwo wurde das Plärren einer Sirene dünner, bis es nicht mehr zu hören war.

    Kassad schrie ebenfalls und versuchte, den Druck zu mildern, damit seine Lungen und Trommelfelle nicht platzten. Es entwich immer noch Luft aus dem Spierarm; er und der Tote wurden die hundertdreißig Meter zum Hauptkörper des Schiffes gezogen, tanzten wie in einem grausamen Walzer den Spierschacht entlang.
    Kassad brauchte zwanzig Sekunden, um die Notfallschlaufen am Raumanzug des Mannes aufzureißen und eine Minute, bis er den Leichnam herausgeschält und sich den Anzug angezogen hatte. Er war mindestens zehn Zentimeter größer als der Tote. Der Anzug war so konstruiert, dass er sich etwas dehnte, aber dennoch kniff er schmerzhaft an Hals, Handgelenken und Knien. Der Helm drückte gegen seine Stirn wie ein gepolsterter Schraubstock. Blutfäden und eine feuchte weiße Substanz klebten innen am Visier. Das Schrapnellstück, das den Marine getötet hatte, hatte zwei Löcher hinterlassen, doch der Anzug hatte sich, so gut es ging, versiegelt. Die meisten Lichter auf der Brust waren rot, und der Anzug reagierte nicht, als Kassad einen Statusbericht anforderte, aber die Luftzufuhr funktionierte, wenn auch mit beängstigendem Keuchen.
    Kassad versuchte es mit dem Anzugfunk. Nichts, nicht einmal Statik. Er fand den Komloganschluss in einem Hüllentermex. Nichts. In diesem Moment schlingerte das Schiff erneut, das Metall hallte unter einer Folge von Treffern wider, und Kassad wurde gegen die Wand des Spierarmschafts geschleudert. Einer der Transportkäfige wirbelte vorbei, die abgerissenen Trossen peitschten wie die Tentakel einer aufgeregten Seeanemone. In dem Käfig befanden sich Leichen, weitere Tote hingen in den Abschnitten der Wendeltreppe, die an der Schachtwand noch intakt waren. Kassad strampelte sich bis zum Ende des Schachts und stellte fest, dass sämtliche luftdichten Türen dort versiegelt waren und das Irisschott des Schachts selbst geschlossen war, aber im Primärschott
waren so große Löcher, dass man ein EMV hätte durchsteuern können.
    Das Schiff schlingerte wieder und geriet ins Trudeln, wodurch Kassad und allem anderen in dem Schacht von neuem komplexe Corioliskräfte aufgezwungen wurden. Kassad hing an zerfetztem Metall und zog sich durch einen Riss in der dreifachen Hülle der HS Merrick.
    Er lachte fast, als er das Innere sah. Wer immer das alte Lazarettschiff angegriffen hatte, hatte ganze Arbeit geleistet, hatte die Hülle mit CPBs aufgeschlitzt und zerfetzt, bis die Druckschleusen versagten, Abriegelungseinheiten barsten, weil ferngesteuerte Notfalleinrichtungen überlastet waren, und die inneren Schotts zusammenbrachen. Dann hatte das feindliche Schiff Geschosse mit Sprengköpfen, die die Leute von FORCE:Weltraum witzigerweise Kanisterschüsse nannten, in die Eingeweide der Hülle gepumpt. Die Auswirkungen waren in

Weitere Kostenlose Bücher