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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schlug auf die Schubkontrollen ein, wertete es als Erfolg und hörte erst auf, als er den Eindruck hatte, als würde er nur noch in zwei statt bisher fünf Richtungen gleichzeitig gerissen werden.
    Ein zufälliger Kameraschnappschuss zeigte ihm, dass das Schlachtschiff zurückblieb. Gut. Er zweifelte allerdings nicht daran, dass das Schlachtschiff der Ousters ihn jeden Augenblick vernichten konnte und auch würde , sollte er sich ihm nähern oder es in irgendeiner Form bedrohen. Er wusste nicht, ob der Tintenfisch bewaffnet war, bezweifelte aber, dass mehr als Nahkampfwaffen an Bord sein würden; doch eines wusste er mit absoluter Sicherheit: Kein Schlachtschiffkommandant würde zulassen, dass ein außer Kontrolle geratenes Beiboot auch nur in die Nähe seines Schiffs kam. Kassad ging davon
aus, dass inzwischen sämtliche Ousters wussten, dass das Beiboot vom Feind entführt worden war. Es hätte ihn nicht überrascht – enttäuscht, aber nicht überrascht –, wenn ihn das Schlachtschiff jeden Moment verdampft hätte, aber vorerst zählte er noch auf zwei Empfindungen, die allzu menschlich, wenn auch nicht notwendigerweise oustermenschlich waren: Neugier und Rachegelüste.
    Neugier, das wusste er, konnte in Augenblicken großer Belastung mühelos überwunden werden, aber er verließ sich darauf, dass eine paramilitärische, halbfeudale Kultur wie die der Ousters stark von Ehre- und Rachedenken geprägt sein würde. Da alles andere einerlei war, er keine Möglichkeit hatte, ihnen weiteren Schaden zuzufügen, und so gut wie keine Chance, zu entkommen, ging Oberst Fedmahn Kassad davon aus, dass er zum begehrtesten Kandidaten für ihre Vivisektionstische geworden war. Er hoffte es.
    Kassad sah auf den Bugmonitor, runzelte die Stirn und löste den Gurt gerade so lange, dass er durch die Kuppel hinausblicken konnte. Das Schiff schlingerte, aber nicht mehr so stark wie zuvor. Der Planet schien näher zu sein – eine Hemisphäre füllte den Raum »über« ihm aus –, aber er hatte keine Ahnung, wie dicht der Tintenfisch an der Atmosphäre war. Er konnte keinen der Datenmonitore lesen. Er konnte nur vermuten, wie hoch die Orbitalgeschwindigkeit gewesen war und wie stark der Ruck des Eintritts sein würde. Sein einziger längerer Blick vom Wrackteil der HS Merrick hatte Kassad gezeigt, dass sie sehr nahe waren, möglicherweise nur fünf-oder sechshundert Klicks über der Oberfläche und in einer Art Parkorbit, aus dem, wie er wusste, für gewöhnlich Landungsboote abgesetzt wurden.
    Kassad versuchte, sich das Gesicht abzuwischen, und runzelte die Stirn, als die Spitzen zu weiter Handschuhfinger gegen das Visier stießen. Er war müde. Verdammt, vor ein paar
Stunden war er noch in der Fuge gewesen, und wenige Schiffswochen davor mit ziemlicher Sicherheit körperlich tot.
    Er fragte sich wieder, ob Hyperion oder Garden unter ihm lag; er war noch auf keiner der beiden Welten gewesen, wusste aber, dass Garden dichter besiedelt war und dichter dran, Kolonie der Hegemonie zu werden. Er hoffte, dass es Garden war.
    Drei Angriffsboote starteten vom Schlachtschiff aus. Kassad sah sie deutlich, bevor die Heckkamera weiterglitt. Er schlug auf die Schubkontrollen ein, bis er den Eindruck hatte, als würde das Schiff schneller auf den Planeten über ihm zurasen.
    Mehr konnte er nicht tun.
     
    Der Tintenfisch drang in die Atmosphäre ein, bevor die drei Angriffsboote der Ousters ihn erreichten. Die Boote waren zweifellos bewaffnet und längst in Reichweite, aber jemand im Befehlsstab musste neugierig sein. Oder besonders wütend.
    Kassads Tintenfisch war ganz und gar nicht aerodynamisch. Wie bei den meisten Beibooten, die nur für den Verkehr zwischen Schiffen konstruiert waren, konnte er zwar mit Planetenatmosphären flirten, war aber zum Untergang verurteilt, wenn er tiefer in sie eindrang. Kassad sah das verräterische rote Glühen des Eintritts, hörte das Ionenrauschen über die aktiven Funkkanäle und fragte sich, ob seine Idee wirklich so gut gewesen war.
    Die atmosphärische Reibung stabilisierte den Tintenfisch, und Kassad spürte den ersten zurückhaltenden Sog der Schwerkraft, während er Konsole und Armlehnen des Pilotensessels nach dem Kontrollkreis absuchte und betete, dass er überhaupt einen finden würde. Ein Videomonitor voll Statik zeigte ein blaues Leuchten, als eines der Landungsboote Gegenschub feuerte. Die erzeugte Illusion war mit jener vergleichbar,
wenn ein Fallschirmspringer beobachtet, wie ein anderer

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