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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Silenus.
    »Wer war das?«, fragte Pater Hoyt. »Das Shrike?«
    »Wahrscheinlich die SST«, sagte der Konsul. »Aber es ist durchaus möglich, dass sie gegen das Shrike gekämpft haben.«
    »Das kann ich nicht glauben«, erwiderte Brawne Lamia zornig. Sie drehte sich zu A. Bettik um, der gerade auf dem Achterdeck zu ihnen getreten war. »Hast du gewusst, dass das passiert ist?«
    »Nein«, sagte der Androide. »Es besteht seit über einer Woche keine Verbindung mehr mit einem Punkt nördlich der Schleuse.«

    »Warum nicht, verdammt?«, fragte Lamia. »Auch wenn diese gottverlassene Welt keine Datensphäre hat – habt ihr denn keine Funkgeräte?«
    Bettik lächelte verhalten. »Doch, M. Lamia, es gibt Funk, aber die Komsats sind heruntergeholt worden, die Mikrowellenrelaisstationen an der Schleuse von Karla wurden zerstört, und wir haben keinen Zugang zur Kurzwellenfrequenz.«
    »Was ist mit den Mantas?«, fragte Kassad. »Kommen wir mit unseren bis Edge?«
    Bettik runzelte die Stirn. »Es wird gehen müssen, Oberst«, sagte er. »Aber es ist ein Verbrechen. Die beiden im Zaumzeug werden sich nicht von der Strapaze erholen. Mit frischen Mantas wären wir vor Einbruch der Dämmerung in Edge gewesen. Mit diesen beiden …« Der Android zuckte mit den Achseln. »Wenn wir Glück haben und die Tiere überleben, sind wir am frühen Nachmittag dort …«
    »Der Windwagen wird doch auf uns warten, oder nicht?«, fragte Het Masteen.
    »Davon müssen wir ausgehen«, sagte Bettik. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich werde mich darum kümmern, dass unsere armen Tiere gefüttert werden. Wir müssten binnen einer Stunde wieder unterwegs sein.«
     
    Sie sahen keine Menschenseele bei den Ruinen von Naiad. Kein Schiff ließ sich vor der Stadt sehen. Eine Stunde nordöstlich der Stadt kamen sie in die Region, wo die Wälder und Farmen des Niederhoolie der wogenden orangefarbenen Prärie südlich des Grasmeers wichen. Gelegentlich sah der Konsul die Lehmtürme von Baumeisterameisen; einige der gezackten Gebilde in Ufernähe erreichten eine Höhe von fast zehn Metern. Spuren intakter menschlicher Behausungen waren nicht zu sehen. Die Fähre von Betty’s Ford war verschwunden, nicht einmal mehr ein Tau oder ein Aufenthaltsschuppen
zeigte, wo sie seit über zweihundert Jahren verkehrt hatte. Der Flussgasthof bei Cave Point war dunkel und stumm. A. Bettik und die anderen Mannschaftsmitglieder riefen hinüber, aber es kam keine Antwort aus dem schwarzen Schlund der Höhle.
    Der Sonnenuntergang breitete eine sinnliche Stille über den Fluss, die bald von einem Chor Insektenstimmen und Vogelzwitschern unterbrochen wurde. Eine Zeitlang wurde die Oberfläche des Hoolie zu einem Spiegel für die graugrüne Scheibe des Dämmerungshimmels; einzige Störungen waren die springenden Fische, die bei Dämmerung auf Nahrungssuche gingen, und das Kielwasser der Zugmantas. Als die wahre Dunkelheit anbrach, tanzten zahllose Präriesommerfäden – blasser als ihre Vettern im Wald, aber dafür mit größerer Spannweite, leuchtende Gespinste so groß wie Babys – in den Tälern und Schluchten der sanften Hügellandschaft. Als schließlich die Sternbilder zu sehen waren und die Meteorschauer begannen, Narben an den Nachthimmel zu zeichnen  – ein brillantes Schauspiel so weit von allen künstlichen Lichtquellen entfernt –, wurden die Laternen angezündet und das Dinner auf dem Achterdeck serviert.
    Die Pilger zum Shrike waren still, als würden sie immer noch über Oberst Kassads grausame und verwirrende Geschichte nachdenken. Der Konsul trank seit Mittag konstant und spürte jetzt die angenehme Gleichgültigkeit – gegenüber der Wirklichkeit, gegenüber den Schmerzen der Erinnerung –, die es ihm ermöglichte, die Tage und Nächte zu überstehen. Nun fragte er mit der sorgfältigen und klaren Sprechweise, wie sie nur wahre Alkoholiker zustandebringen, wer nun an der Reihe sei, seine Geschichte zu erzählen.
    »Ich«, sagte Martin Silenus. Der Dichter hatte ebenfalls den ganzen Tag über getrunken. Seine Stimme war so sorgfältig beherrscht wie die des Konsuls, aber die geröteten Wangen und der fast manische Glanz der Augen verrieten ihn. »Jedenfalls
habe ich Nummer drei gezogen …« Er hielt den Papierschnipsel hoch. »Wenn ihr den Mist immer noch hören wollt.«
    Brawne Lamia hob ihr Weinglas, runzelte die Stirn und stellte es wieder hin. »Vielleicht sollten wir uns vorher darüber unterhalten, was wir aus den

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