Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
beiden ersten Geschichten gelernt haben und wie es sich auf unsere derzeitige Situation auswirken könnte.«
    »Noch nicht«, sagte Oberst Kassad. »Wir haben noch nicht genug Informationen.«
    »Lasst M. Silenus erzählen«, sagte Sol Weintraub. »Dann können wir uns darüber unterhalten, was wir gehört haben.«
    »Einverstanden«, sagte Lenar Hoyt.
    Het Masteen und der Konsul nickten ebenfalls.
    »Einverstanden!«, rief Martin Silenus. »Ich erzähle meine Geschichte. Lasst mich nur noch das verdammte Glas Wein leertrinken.«
    Die Geschichte des Dichters: »Hyperionische Gesänge«
    Am Anfang war das Wort. Dann kam der verdammte Wortprozessor. Dann kam der Gedankenprozessor. Dann kam der Tod der Literatur. So geht das.
    Francis Bacon hat einmal gesagt: »Aus einer schlechten und unangemessenen Formation von Worten entsteht ein vortreffliches Hindernis für den Geist.« Wir haben alle unsere vortrefflichen Hindernisse für den Geist geschaffen, oder nicht? Ich mehr als die meisten. Einer der besseren vergessenen Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts hat einmal als Bonmot von sich gegeben: »Es gefällt mir, Schriftsteller zu sein. Nur den Papierkram kann ich nicht ertragen.« Kapiert?
Nun, Amigos und Amigette, mir gefällt es, Dichter zu sein. Nur die verdammten Worte ertrage ich nicht.
    Wo soll ich anfangen?
    Vielleicht mit Hyperion?
    (Einblenden) Vor fast zwei Standardjahrhunderten.
    Die fünf Saatschiffe des Traurigen Königs Billy kreisen wie goldene Pusteblumen über dem nur allzu vertrauten lapislazulifarbenen Himmel. Wir landen wie Konquistadoren: über zweitausend Maler und Schriftsteller und Bildhauer und Dichter und ARNisten und Vidmacher und Holieregisseure und Komponisten und Gott weiß was alles, unterstützt von fünfmal so viel Beamten und Technikern und Ökologen und Aufsehern und Richtern und hauptberuflichen Arschkriechern, ganz zu schweigen von der Familie der königlichen Ärsche selbst, diese wiederum unterstützt von zehnmal so viel Androiden, die den Boden beackern und die Reaktoren entfachen und die Städte bauen und die Fracht entladen und die Lasten schleppen sollten … Verdammt, ihr wisst schon.
    Wir landeten auf einer Welt, die von armen Teufeln besiedelt worden war, die schon vor zwei Jahrhunderten zu Eingeborenen geworden waren und von der Hand in den Mund lebten, so gut sie konnten. Natürlich begrüßten uns die edlen Nachfahren dieser tapferen Pioniere wie Götter – vor allem, nachdem ein paar unserer Verteidigungstruppen ein paar ihrer aggressiveren Anführer niedergemetzelt hatten –, und natürlich akzeptierten wir ihre Verehrung als angemessen und ließen sie zusammen mit den Blauhäutigen schuften, den Süden pflügen und unsere wunderbare strahlende Stadt auf dem Hügel erbauen.
    Und es war eine strahlende Stadt auf dem Hügel. Wenn man heute die Ruinen sieht, kann man das unmöglich erkennen. Die Wüste war in den drei Jahrhunderten nicht untätig; die Aquädukte von den Bergen sind eingestürzt und geborsten;
die Stadt selbst ist nur noch ein Gerippe. Aber zu ihrer Zeit war die Stadt der Dichter wahrlich strahlend, ein bisschen vom Athen des Sokrates, verbunden mit der intellektuellen Aufbruchstimmung des Venedig der Renaissance, dem künstlerischen Fieber des Paris zur Zeit der Impressionisten, der wahren Demokratie im ersten Jahrzehnt der Orbitalstädte und der grenzenlosen Zukunft von Tau Ceti Center.
    Aber zuletzt war sie natürlich nichts von alledem. Sie war lediglich Hrothgars klaustrophobische Methalle, wo das Ungeheuer draußen in der Dunkelheit lauerte. Wir hatten unseren Grendel, so viel steht fest. Wir hatten sogar unseren Hrothgar, wenn man das glückliche, schwammige Profil des Traurigen Königs Billy nicht zu genau betrachtet. Nur unser Geats fehlte uns – unser großer, breitschultriger kleingeistiger Beowulf mit seiner Bande fröhlicher Psychopathen. Und da uns ein Held fehlte, begnügten wir uns mit der Rolle von Opfern und komponierten unsere Sonette und übten unsere Ballette und entrollten unsere Schriftrollen, während unser Grendel aus Stahl und Dornen die ganze Zeit über die Nacht mit Angst erfüllte und Schenkelknochen und Knorpel erntete.
    Und da war ich – damals ein Satyr, das Fleisch als Spiegel meiner Seele geformt – der Vollendung meiner Cantos, meiner Gesänge, meines Lebenswerks so nahe wie in den ganzen fünf traurigen Jahrhunderten verbohrten Beharrens seither nicht mehr.
    (Ausblenden)
    Da fällt mir ein, dass die

Weitere Kostenlose Bücher