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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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fluchte weiter, bis jemand sie ohrfeigte. Altford verstummte, öffnete die Augen und sah Liz Ball, die Nachtschwester, die neben ihr kniete und den halb besorgten, halb verärgerten Gesichtsausdruck trug, den man bei der Schwesternausbildung lernt.
    »Haben Sie mich geschlagen?« fragte Altford, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Ja, verdammt«, sagte Ball. »Sie hatten einen Albtraum und haben geflucht wie nur was. Kommen Sie. Zurück ins Bett.«
    »Bin ich aus dem Bett gefallen?«
    »Gefallen oder gesprungen, jedenfalls sind Sie auf dem Boden.«
    »Vielleicht holen Sie besser diesen großen Doktor, zum Helfen«, sagte Altford, nicht stolz auf ihre Gerissenheit, sondern unfähig, sich etwas Besseres auszudenken.
    »Welcher große Doktor?«
    »Also, vielleicht war das ja bloß ein Pfleger – ziemlich großer Typ, der einfach so reingekuckt hat.«
    »Weiß oder schwarz?«
    »Weiß.«
    »Auf dieser Etage haben wir keine weißen Pfleger«, sagte Ball. »In Wirklichkeit haben wir überhaupt keinen Pfleger hier. Es ist gerade Schichtwechsel, ein Pfleger ist gegangen, der andere hat sich verspätet. Und zu dieser Nachtzeit haben wir ganz bestimmt keine Ärzte hier oben, egal ob groß oder klein, weiß oder schwarz. Kommen Sie, ich helf Ihnen wieder ins Bett.«
    Mit Hilfe der kräftigen Schwester stand Altford langsam und vorsichtig auf, um sich zu vergewissern, daß nichts verrenkt oder gebrochen war. Als sie wieder im Bett lag, fragte die Schwester, ob sie etwas haben wolle, um besser einschlafen zu können.
    »Ich hätte gern ein großes Glas mit Eis bitte, Liz. Und wenn Sie das besorgt haben, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie so eine Miniflasche Gin drübergießen und einfach runterrieseln lassen könnten.«
    Die Schwester verließ Altford, als diese an Kissen gelehnt im Bett saß, beide Hände um ein Glas Gin mit Eis. Altford trank zwei große Schlucke, stellte das Glas auf den Nachttisch, nahm das Telefon auf den Schoß und tippte eine Nummer; noch vor dem Ende des zweiten Klingelns meldete sich Edd Partain.
    »Wie lang brauchen Sie, um herzukommen?« sagte sie.
     
    Millicent Altford ließ diesmal Partain fahren und stellte fest, daß er sich dem Ampeltakt anpaßte und immer bei Grün oder Gelb durchkam. Sie mochte es, wie er fuhr, und auch, wie er sich ihre Geschichte vom gescheiterten Erstickungsversuch anhörte.
    Als Partain sicher war, daß sie geendet oder sich jedenfalls ein wenigentspannt hatte, sagte er: »Der hat auf den Schichtwechsel gewartet.«
    »Offenbar.«
    »Würden Sie ihn wiedererkennen?«
    »Sofort – falls er eine blaue Maske, Kittel, Haarkappe und durchsichtige Plastikhandschuhe trägt.«
    »Sie sagen, er war groß. Wie groß?«
    »Mindestens eins neunzig.«
    »Was ist mit den Augen?«
    »Sie meinen, waren das die grausamen Augen eines durchgeknallten Proktologen, der lieber töten als heilen würde?«
    »Nur die Farbe.«
    »Weiß ich nicht.«
    »Ein Jammer«, sagte Partain.
    »Würden Sie sich die Farbe merken, wenn ein Kissen Sie gleich am Atmen hindern sollte?«
    »Ja, aber das ist mein Job. Oder war es. Dinge bemerken. So was wie: Wie viele Finger hat Mickymaus?«
    »Fragen Sie mich das?«
    Partain nickte.
    »Drei«, sagte sie. »Weil es leichter und billiger ist, drei zu zeichnen als vier.«
    »Dann registrieren Sie doch Dinge.«
    »Ja, wenn mich nicht gerade einer umbringen will.« Partain nickte verständnisvoll.
    »In Wirklichkeit habe ich die Augen zugemacht«, sagte sie. »Ich lüge. Nach dem ersten Anblick hab ich sie zugedrückt, wie ein kleines Kind.«
    »Ein Kind hätte sich nicht vom Bett gerollt«, sagte er.
    »Ich glaub, ich hab auch geschrien und reichlich geflucht.«
    »Noch besser«, sagte Partain; dann fragte er: »Hat er was gesagt?«
    »Kein Wort.«
    »Wenn er was gesagt hätte, würden Sie vielleicht seine Stimme wiedererkennen, wenn Sie sie je noch mal hören.«
    »Vielleicht«, sagte Millicent Altford.
     
    Kurz nach 1 Uhr hielt Partain den Lexus vor den Glastüren des Eden an, schaltete den Motor aus und wandte sich Altford zu. »Steigen Sie erst aus, wenn ich Ihre Tür aufmache. Ich begleite Sie hoch zu Ihrer Wohnung, geh dann wieder runter und bring den Wagen weg.«
    »Meinen Sie, er versucht’s noch mal?« fragte sie; sie klang eher interessiert als besorgt.
    »Ich weiß nicht, was er tun wird«, sagte Partain, stieg aus, ging ums Wagenheck herum und öffnete die rechte Tür. Als Altford ausstieg, hielt ein dunkelbrauner, fensterloser Van ohne Nummernschild

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