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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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enormes Wasserbett und ein schwarzer Schrank mit sechs Falttüren. Für einen, der allein lebt, ist der Schrank riesig. Weigandt zieht die Türen auseinander. Er hat Gelegenheit zu staunen. In den Fächern liegen mindestens fünfzig Hemden, auf den Stangen hängen Hosen über Hosen, Krawatten, Anzüge, Sakkos, Sportjacken, Lederjacken, Anoraks und Westen. Alles teure Marken, die gerade in Mode sind. Nicolai besitzt zwei weiße Dinner-Jacketts, die mit roter Seide gefüttert sind. Viele der Sachen stecken noch in ihren Originalverpackungen und sind ganz offensichtlich noch nie getragen worden. In ausziehbaren Stahlkörben über dem Boden des Schranks präsentiert sich das gesamte Unterwäscheangebot eines Sexshops, der auf bizarre Mode spezialisiert ist. Hier gibt es Tangas und hauchdünne Slips aus Leder und Seide in schwarz und knallrot. Da sind mit Stacheln besetzte und mit Nieten beschlagene Armbänder, Gürtel, Hosen und Gummimasken, die wie mittelalterliche Sturmhauben aussehen. Alles ist aus glänzendem, schwarzem Leder gefertigt und sieht so aus, als hätte es viel Geld gekostet. Hier liegen mehr und teurere Hemden, als sie Weigandt in seinem ganzen Leben auf einem Haufen gesehen hat. Ein erstaunlicher Kleiderschrank für einen jungen Autor, der gerade in einem Interview erklärt hat, daß er allein von den Honoraren für seine Bücher nicht leben könne.
    Neben dem Kleiderschrank steht auf einer Hi-Fi-Konsole ein großer Sony-Fernseher. Auf der Glasplatte unter dem Fernseher befinden sich ein Videorecorder und ein Surround-Receiver. Weigandt kniet sich vor den Videorecorder und nimmt die Kassetten, die danebenliegen, einzeln in die Hand. Es sind ausnahmslos Pornokassetten. Nicolai scheint keine klaren Vorlieben zu haben. Es gibt Orgien zwischen reifen Frauen und jungen Männern; da ficken Darsteller in Kleidern der Epoche Ludwigs XV. mit Nonnen; riesige schwarze Bodybuilder treiben es mit weißen Frauen und ihren Pferden auf einem Bauernhof; gefesselte Japanerinnen in Schulmädchenkostümen hängen kopfunter an Fleischerhacken und werden von einer Gruppe onanierender Männer literweise mit Sperma vollgespritzt. Weigandt schaltet Fernseher, Videorecorder und Receiver ein und hört gleich darauf Stöhnen und Schreie aus sechs Lautsprechern und einem Subwoofer.
    Das Schlafzimmer stößt an Nicolais Arbeitszimmer. Hier stehen ein Computer und ein Faxgerät auf einem Arbeitstisch. Ein Modemkabel führt in eine Telefonbuchse an der Wand. Ein schwarzer CD-Ständer ist voll mit CD-ROMs. In einer Ecke des Arbeitszimmers lehnt ein Baseballschläger aus Aluminium an der Wand. Neben dem Schläger liegt ein lederner Fanghandschuh mit dem dazugehörigen Ball. Weigandt nimmt den Schläger und haut ihn in den Computer-Bildschirm. Der Bildschirm implodiert mit einem trockenen Knall; Glassplitter regnen auf den Teppich.
    Dann geht er mit dem Schläger zurück ins Schlafzimmer und haut ihn mitten in die Bildröhre des Hundert-Herz-Fernsehers, zerschlägt Videorecorder und Receiver. Die Fickgeräusche hören plötzlich auf. Er öffnet den Kleiderschrank noch einmal, zerrt und reißt an den Einlageböden, um die Vorderfront zu sich herzuziehen, aber der Schrank steht fest wie ein Felsen. Er stellt sich neben den Schrank und sucht mit der Hand einen Spalt zwischen Schrank und Wand. Er ruckt so lange an dem Schrank, bis er den Griff des Baseballschlägers zwischen Wand und Schrank zwängen kann, zieht den Schläger mit einem Ruck nach vorne, worauf der Schrank mit einem trockenen Splittern vornüber auf den Veloursteppich kippt.
    Er nimmt den Baseballschläger und geht wieder ins Wohnzimmer hinunter.
    „Ich nehme jetzt den Schlauch raus. Wenn du schreist, dann hau ich dir den Schläger in die Fresse. Wenn du ruhig bist, dann machen wir einen Deal. Okay?“
    Nicolai nickt. Weigandt löst vorsichtig den Knoten des Knebels. Nicolai erbricht gelben Schleim auf den Teppich. Weigandt geht in die Küche, macht einen Schwamm naß und wischt Nicolai damit das Gesicht ab.
    „Was für einen Deal?“ fragt Nicolai, als er Luft geholt hat.
    „Du schilderst mir Stunde für Stunde den letzten Tag in Florians Leben.“
    „Und dann?“
    „Dann geh ich.“
    „Das ist alles? Mehr wollen Sie nicht?“
    Weigandt sieht Nicolai ausdruckslos an.
    „Nein.“
    „Geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie dann gehen?“
    Weigandt preßt die Lippen aufeinander und nickt.
    „Ja.”

Kapitel 10          
    Ich bete in dieser Nacht stundenlang. So habe ich

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