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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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weder Milch noch Zucker vorhanden wären, und schlug dann einen Ordner auf.
    „Es handelt sich um eine Frau Hubig, sechsundzwanzig Jahre alt, Sozialpädagogin. Sie und ihr Freund sind am Freitag nach dem Dienstag, an dem Florian verschwand, zu einer Weltreise aufgebrochen, von der sie erst vor zwei Wochen zurückgekommen sind.“
    „Und wieso kann sie sich nach über einem Jahr noch an einen Kleinwagen erinnern, der auf dem Parkplatz stand? Was hat sie denn auf dem Parkplatz gemacht?“
    Schirra hustete und zündete sich umständlich eine Zigarette an. Obwohl er wußte, daß wir beide nicht rauchten, streckte er uns wie immer seine filterlosen Gauloises entgegen.
    „Diese Frau hatte nach ihrer Aussage einige Wochen vorher den Mann ihres Lebens kennengelernt und ihn auf dem Parkplatz - Zitat: oral befriedigt -, weil sie es beide nicht mehr bis zu ihrer Wohnung in Saarbrücken ausgehalten hätten.“
    Schirra las weiter aus dem Protokoll vor.
    „Beide haben auf dem Parkplatz mit sexuellen Aktivitäten circa zwanzig Minuten zugebracht. Als sie damit fertig waren, sahen sie aus dem Fenster und bemerkten einen Kleinwagen auf dem Parkplatz, in dem ein Mann und ein Junge saßen. Ihnen fiel weiter auf, daß der Mann und der Junge den Wagen verließen und der Mann den Jungen in den nahen Wald führte. Beide warteten nicht, bis der Mann und der Junge zurückkehrten, sondern setzten daraufhin ihre Fahrt nach Saarbücken fort.“
    „Und das ist alles?“
    „Das ist viel mehr, als was wir bisher wußten.“
    „Kann die Frau den Mann beschreiben? Kann sie sich an eine Autonummer erinnern? An den Wagentyp?“ Es war Michael, der das fragte.
    „Schmeckt Ihnen unser Kaffee nicht?“
    Ich warf Michael einen Blick zu, dann tranken wir beide einen Schluck der abgestandenen Brühe.
    Schirra blätterte in seinem Ordner weiter.
    „Das haben wir die Dame auch gefragt. Also, sie denkt, daß es ein Ford Fiesta gewesen sei, es könnte sich aber auch um einen Polo oder um einen Opel Corsa handeln. Sie ist sich nur sicher, daß es ein Kleinwagen war. Den Mann konnte sie nur sehr vage beschreiben: Mittelgroß, schlank, rundes Gesicht, absolut normal, sagt sie, nichts Auffälliges. Auch beim Kennzeichnen ist sie sich nicht sicher, es könnte SB gewesen sein, aber sie weiß es nicht genau.“
    Ich spürte, wie alle Kraft aus mir schwand, als wir wieder auf der Straße standen.
    „Wegen so einem Dreck läßt der uns herkommen“, sagte Michael. „Die finden den nie.“
    Ich hatte dasselbe Gefühl.
    Aber wir hatten Schirra Unrecht getan. Zwei Wochen später besuchte er uns.
    „Wir haben Frau Hubig nochmals befragt und ihr dabei Fotos von verschiedenen Kleinwagentypen gezeigt. Sie ist sich nun ziemlich sicher, daß es ein Opel Corsa war. Und sie erinnert sich noch an etwas anderes, an etwas Wichtiges: Der Mann im Corsa trug Kochhosen.“
    „Was sind Kochhosen?“
    „Kennen Sie die nicht? Diese schwarzweiß gewürfelten Hosen, die die Leute in Großküchen und in der Gastronomie tragen.“
    Zwei Wochen später lief eine der größten Polizeiaktionen in der Geschichte des Saarlandes an. Sechzig Beamte überprüften die Halter von insgesamt siebentausend blauen Corsas, Fiestas und Polos. Die Aktion war ein Fehlschlag. Jeder Halter oder Fahrer eines solchen Fahrzeugs konnte für den dreizehnten Oktober 1992 entweder ein hieb- und stichfestes Alibi beibringen oder kam aus anderen triftigen Gründen als Täter nicht in Frage. Wieder ein Fehlschlag.
    In der Zwischenzeit reiste Schirra für zwei Wochen in die USA zu einem gewissen Bob Keppel, um an einer Schulung im Täter-Profiling teilzunehmen. Als er wieder da war, sprühte er vor neuen Ideen und erzählte tolle Geschichten, wie die Amerikaner mit Computern unglaublich genaue Täterprofile erstellten, mit deren Hilfe sie schon einige Serienmörder gefaßt hätten. Ich war damals absolut nicht in der Stimmung, mir Christian Schirras Geschichten von seinen Amerika-Urlauben auf Kosten des Steuerzahlers anzuhören. Tief in meinem Inneren hatte ich mich damit abgefunden, daß man Florians Mörder nie finden würden.

Kapitel 15          
    Nicolai sitzt auf einem Klappstuhl vor dem Heizkessel. Auf dem Estrich vor ihm liegen die Kippen vieler Zigaretten. Weigandt hat die restlichen Biere aus dem Kühlschrank geholt und zwischen sich und Nicolai auf den Boden gestellt. Beide sprechen jetzt mit leiseren Stimmen als zuvor.
    „Wo bist du mit Florian hingefahren?“
    „Ich wollte in meine

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