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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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Treppenabsatz vor dem Badezimmer angekommen ist, läßt er Nicolai langsam von der Schulter gleiten. Er bückt sich, faßt den Toten an dem einen Arm, den der noch hat, und zieht ihn ins Bad hinein. Dort schiebt er mit einem Fuß den Badeläufer zur Seite und schleift Nicolai bis vor die Badewanne. Das feine Rinnsal von Blut, das stetig aus Nicolais Mund sickerte, ist inzwischen angetrocknet und sieht im Licht des Badezimmers schwärzlich aus. Aus den tiefen Wunden in Nicolais Oberschenkel und Schulter dringt weiter ein kontinuierlicher Schwall wäßrigen Blutes, der sich auf den Fliesen in einer schillernden Lache sammelt.
    Weigandt setzt sich auf den Badewannenrand, verschnauft zitternd und wartet, bis sich sein rasender Herzschlag beruhigt hat. Er betrachtet den zerschundenen, haarlosen Körper mehrere Minuten lang. Endlich faßt er ein Bein und den einen Arm und wuchtet Nicolai über den Badewannenrand. Der Leichnam rutscht in die Wanne hinein und bleibt halb verdreht auf dem Bauch liegen. Weigandt zieht an den erkaltenden Gliedern, bis der Tote auf dem Rücken liegt. Mit weit aufgerissenen Augen und starrem Blick schaut Nicolai zum letzten Mal die Decke seines Badezimmers an.
    Als Weigandt mit der Lage der Leiche zufrieden ist, geht er die Treppe hinunter und tritt vorsichtig durch die Haustür ins Freie hinaus. Er klemmt einen Schuh in die Türe und geht langsam durch den nassen Schnee zu seinem Auto. Mit einiger Mühe zieht er die zweite Sporttasche aus dem Heck und schleppt sie ins Haus. Vor der Treppe atmet er einige Sekunden lang tief durch, bevor er in den ersten Stock hinaufgeht.
    Im Bad macht er den Reißverschluß auf und nimmt die erste der Plastikflaschen mit dem Rohrreiniger aus der Tasche. Er liest die Gebrauchsanweisung und verschließt den Ablauf der Badewanne. Schließlich öffnet er eine der gelben Flaschen und schüttet ein blaues, körniges Pulver über Nicolais Leiche. Er holt eine zweite Flasche aus der Sporttasche und verteilt den Inhalt ebenfalls über dem toten Körper, dann eine dritte. Er zieht Gummihandschuhe an, setzt eine Schutzbrille auf und studiert nochmals die Gebrauchsanleitung, dann nimmt er die Brause, stellt den Mischhebel auf heiß und läßt den ersten Schwall Wasser auf den nun ganz mit bunten Kügelchen bedeckten Körper fließen.
    Der Abflußreiniger, den Weigandt benutzt, besteht aus Natriumhydroxid und Aluminium, das als Katalysator dient. Mischt man diese beiden Stoffe mit Wasser, dann ereignet sich eine exotherme Reaktion, bei der eine enorme Hitze freigesetzt wird. Die so entstandene Lösung ergibt eine stark ätzende Lauge, die Fett, Fleisch, Pflanzen, Haare und sogar Fingernägel, Knochen und Zähne vollständig auflöst. Zurück bleibt nur eine braune Flüssigkeit, die aussieht wie kalter Kaffee.
    Weigandt läßt das heiße Wasser über Nicolais Leiche fließen, bis ein zischendes Brodeln das Badezimmer erfüllt. Die bunten Kügelchen des Rohrreinigers verwandeln sich in einen zähfließenden weißen Brei, der schäumend aufwirbelt und Blasen wirft. Ein stechender Geruch nach Chemikalien steigt aus der Badewanne auf. Die Lauge verzehrt nun zunehmend Haut, Haare, Fleisch und Knochen dessen, der einmal Falko Nicolai gewesen ist. Weigandt öffnet Flasche um Flasche und schüttet den Inhalt über den toten Körper, der nun vollständig mit immer neuen Kügelchen und weißem Schaum bedeckt ist. Schon ist das Gesicht Nicolais nicht mehr zu erkennen. Da, wo einmal die Augen gewesen sind, starren leere, rosarote Höhlen in die Höhe. Die Kopfhaare, Nicolais Penis, seine Hoden, Lippen, Nase, Zehen, Finger: nichts kann sich der leise zischenden Zersetzung entziehen. Nach einer halben Stunde kann niemand mehr erkennen, um wessen Körper es sich in der Wanne handelt. Nicolai ist nur noch ein bis auf das rohe Fleisch abgeätzter Kadaver, der sich in Schichten auflöst. An vielen Stellen sind unter dem weggefressenen Fleisch bereits die weißen Knochen zu sehen.
    Weigandt blickt sein Werk mit grausigem Erstaunen an. Wenn die Polizei in ein paar Tagen vor dieser Wanne steht, dann werden die Spezialisten der Kripo zwar vermuten, daß der stinkende Brei vor ihren Augen die Überreste von Falko Nicolai enthält, aber es wird ihnen schwer fallen, das zu beweisen. Und es wird ihnen noch schwerer fallen, die Todesursache und den genauen Todeszeitpunkt festzustellen. Weigandt öffnet das Fenster, wäscht sich die Hände und wirft einen letzten Blick auf den kochenden Schleim in der

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