Die indische Erbschaft
sich und zog Wilhelm Ströndle hinter sich her; Martha warf ihm einen warnenden und flehenden Blick zu: Um Himmels willen, betrink dich nicht schon wieder, du weißt doch, daß du nichts verträgst!
Sie betraten ein Herrenzimmer mit schweren dunklen Möbeln in imitiertem Hamburger Barock. Ein gewaltiger Bücherschrank nahm fast die ganze Länge des Zimmers ein. Um einen Spieltisch herum standen ein paar wuchtige Ledersessel, in deren einen Oskar Vollrath seinen Gast hineindrückte. Zwei Gläser, eine Cognacflasche und ein Kästchen mit Zigaretten standen bereits auf dem Tisch. Der Tapetenwechsel schien vorbereitet gewesen zu sein.
„Zunächst mal ein gemütliches Prosterchen, lieber Herr Ströndle! Weiß der Teufel, aber mir läuft drüben die Galle über, wenn mir meine Frau jeden Schluck in den Mund zählt…“
„Ich werde auch ziemlich kurz gehalten“, tröstete Wilhelm Ströndle seinen ehemaligen Chef. Der Cognac rann ihm warm in den Magen hinab und nahm ihm wieder ein Stückchen von der Befangenheit und Unsicherheit, mit der er das Haus betreten hatte. Er streckte die Beine aus und zündete sich genußvoll eine Zigarette an der roten Kerze an, die in einem kunstvoll geschmiedeten Leuchter vor ihm brannte. Das Wachs verbreitete einen angenehmen Honigduft.
„Fabelhaft, wie Sie hier leben...“
„Lebensmittel sind eben eine gute Branche, mein Lieber. Aber das wissen Sie selber ja genauso gut wie ich...“ Oskar Vollrath schenkte den zweiten Cognac ein und wählte sich mit Bedacht eine Brasil. „Es fragt sich nur, ob man es verträgt, die Hände in den Schoß zu legen. Ich _ könnte es nicht. Bei mir muß sich etwas rühren! Mich machen schon die Sonntage ganz krank...“
„Mich auch, Herr Vollrath! — Ehrlich gesagt, ich weiß nicht mehr, was ich den lieben langen Tag anfangen soll, seit ich...“ Er brach ab, denn er wollte keine peinlichen Erinnerungen her auf beschwören. Aber Oskar Vollrath hob interessiert das fleischige rote Gesicht mit den kleinen listig blickenden Augen.
„Nun sagen Sie bloß noch, daß Sie mir Konkurrenz machen wollen!“ röhrte er, aber sein Lachen klang nicht sehr liebenswürdig.
Wilhelm Ströndle wurde munter. Konkurrenz...? Der Gedanke, er könne dereinst Oskar Vollrath Konkurrenz machen, war ihm noch nie gekommen, aber er griff ihn auf wie ein Spieler den Ball: „Was bleibt einem schließlich anderes übrig, als in der Branche tätig zu sein, von der man etwas versteht? Ich bin zu alt, um mich auf Experimente einzulassen.“
„Gewiß, gewiß“, knurrte Oskar Vollrath und qualmte nervös, „aber finden Sie nicht auch, daß zwei Pferde einen Wagen besser ziehen als eins?“
Wilhelm Ströndle verstand kein Wort, aber er nickte zustimmend. An dem Bild, das Oskar Vollrath gebrauchte, gab es nichts zu deuten: „Das ist klar...“
„In diesem Sinne, mein Lieber, Prösterchen!“
„Auf Ihr Wohl, Herr Vollrath!“ — Ihm wurde noch wärmer, noch wohler, noch freier und leichter. Er fühlte sich auf dem kühlen Ledersessel weich wie auf einer Wolke, und die Wolke erhob sich und schwebte.
„Nun ja, mein lieber Herr Ströndle, Sie kennen meinen Laden. Acht Millionen Umsatz. Wir drehen die Ware ja auch ganz schön herum. Aber die Kapazität der Räumlichkeiten ist bei weitem nicht ausgenutzt. Das werden Sie mir doch zugeben müssen...?“
„Gewiß, Herr Vollrath...“
„Wir könnten das Doppelte, ja, wir könnten das Dreifache umsetzen, vielleicht sogar noch mehr!“
„Die Konkurrenz liegt auch nicht auf der faulen Haut, lieber Herr Vollrath!“ warf Wilhelm Ströndle ein.
„Ach was! Haas & Plochinger wackeln, Romeis stinkt oberfaul, Knott & Klemm brauchen nur noch einen Gnadentritt ins Kreuz, um auf den Brettern zu liegen, und mit den anderen, sagen wir mal außer Reither & Co. und dem jungen Sabottke, der wirklich ein ganz tüchtiger Kerl ist, werden wir spielend fertig. Und Reither und Sabottke lassen wir leben, denn eine gesunde Konkurrenz braucht der Mensch, um munter zu bleiben.“
Wilhelm Ströndle legte den Kopf schief auf die Schulter. Donnerwetter, der Dicke hatte sich nicht wenig vorgenommen! „Aber dazu braucht man Kapital!“ stammelte er ein wenig benommen, „über den Daumen gepeilt drei bis vier Millionen! Sie müßten Ihren Fuhrpark verdreifachen und vervierfachen und ebenso den Vertreterstab und das Lagerpersonal..
„Die Zahlen habe ich auf dem Papier. Aber sagen Sie, lieber Ströndle, weshalb sagen Sie, Sie müßten? Wie wäre es,
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