Die indische Erbschaft
wenn Sie sich die Geschichte einmal durch den Kopf gehen ließen und darauf kämen, daß es doch viel gescheiter wäre, wenn Sie sagen würden, wir müßten!“
Wilhelm Ströndle kippte den dritten Cognac herunter, den Oskar Vollrath ihm eingeschenkt hatte, und er floß wie Öl auf seine Lampe. Endlich begann er zu begreifen, und gleichzeitig spürte er den dritten Schnaps wie ein Pferd den Peitschenschlag. „Ja, warum eigentlich nicht wir ?“ fragte er und wölbte die Brust.
Oskar Vollrath knallte die Hand flach auf den Tisch, daß die Gläser hüpften: „Jawohl, lieber Ströndle, wir beide! Und das ist die Sache, derentwegen ich Sie zu mir gebeten habe. Ich lege meine Karten vor Ihnen offen auf den Tisch. Sie könnten natürlich Ihren eigenen Betrieb aufmachen. Schön, dann gäbe es eben einen Kampf bis aufs Messer. Aber wenn Sie sich vor meinen Karren spannen, mit mir zusammen, dann überrennen wir die Konkurrenz und quetschen sie einfach an die Wand. Ströndle & Vollrath, das wäre unsere Firma!“
„Ströndle & Vollrath...“, murmelte Wilhelm Ströndle hingerissen.
„Sind wir uns im Prinzip einig?“
„Einig, einig, einig!“ rief Wilhelm Ströndle, aber ein Rest von Verstand lugte noch durch den Cognacnebel und setzte seiner Begeisterung einen Dämpfer auf: „Sie sind sich doch hoffentlich darüber klar, lieber Herr Vollrath, daß ich die Erbschaft noch nicht angetreten habe, und ich kann Ihnen auch nicht sagen, ob sie in drei Monaten oder in sechs nach Deutschland transferiert wird...“
„Die Zeit spielt keine Rolle, lieber Ströndle!“
„Für Sie nicht, lieber Vollrath, aber für mich! Ich kann ja schließlich die Hände solange nicht in den Schoß legen...“
„Das lassen Sie meine Sorge sein, lieber Freund!“ Oskar Vollrath füllte die Gläser zum viertenmal, und gleichzeitig zauberte er ein Schriftstück auf den Tisch: „Der Entwurf eines Privatvertrages zwischen uns beiden, mein Lieber. Klipp und klar und ohne Fisimatenten, wie sich das für ehrliche Kaufleute gehört. Er verpflichtet Sie, solange Sie nicht im Besitz der Erbschaft sind, zu nichts! Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie in den Genuß der Erbschaft treten, stellen Sie Ihre Arbeitskraft meiner Firma für ein Monatsgehalt von fünftausend Mark zur Verfügung, als stiller Teilhaber ohne Kapitaleinlage. Sobald Sie das Erbe angetreten haben, legen Sie ein Kapital in der vollen Höhe des Firmenwertes ein und gründen mit mir als gleichberechtigtem Teilhaber die Firma Ströndle und Vollrath. Über die Rechtsform der Firma können wir uns noch einig werden. Das ist alles, was ich Ihnen vorzuschlagen habe.“ — Er schob Wilhelm Ströndle das Schriftstück zu, dessen Text in acht kurze Absätze aufgeteilt war und links unten bereits seine Unterschrift trug. „Lassen Sie sich Zeit, lesen Sie das Ding in aller Ruhe durch — und wenn Sie wollen — — hier ist mein Füllhalter.“
Wilhelm Ströndle nahm die Brille ab. Er griff blind über den Tisch und tappte zweimal daneben, ehe er den Füller erwischte. Die Zeilen verschwammen vor seinen Augen, aber zwei Worte leuchteten wie eine Flammenschrift aus dem Text; „fünftausend monatlich!“ Er malte mit der unbekannten Feder einen Kringel auf einen Kartenblock, um sie zu prüfen, und unterschrieb den Vertrag, ohne zu zittern. Das Zittern überkam ihn erst, als er auf Oskar Vollraths Aufforderung hin nach dem Glase griff, um den vierten Cognac auf diese bedeutsame Minute zu trinken, auf diese historische Minute, die ihn mit einem gewaltigen Fittichschlag auf einen Gipfelpunkt seines Daseins erhob. Aber Oskar Vollrath ließ ihm keine Zeit, auf der Höhe zu verweilen und Umschau zu halten. Er schenkte den fünften Cognac ein und erhob sich, groß, breit und mächtig wie ein Denkmal. Etwas in seiner Haltung veranlaßte Wilhelm Ströndle, sich ebenfalls zu erheben. Er schwankte leicht, aber mehr von der inneren Bewegung als von den genossenen Schnäpsen. Und Oskar Vollraths orgelnde Stimme dröhnte an sein Ohr.
„Mein lieber Freund und Partner! Ich möchte diesen Augenblick nicht vorübergehen lassen, ohne nun auch nach außen hin zu dokumentieren, daß wir beide nunmehr an einem Strang ziehen, mit vereinten Kräften an dem Strang der Firma Ströndle & Vollrath. Als der ältere von uns beiden darf ich es mir erlauben, Ihnen, mein lieber Wilhelm Ströndle, das Du anzubieten, das Sie mir hoffentlich nicht ausschlagen werden!“ Er krümmte den Arm mit dem Glas in der Hand, und Wilhelm
Weitere Kostenlose Bücher