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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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leichten Herzens und nicht aus einer spontanen Verstimmung heraus vollzogen habe. Zu dieser Aussprache wäre es längst gekommen, wenn der termingebundene Plakatauftrag nicht so sehr gedrängt hätte. Da Charlotte ihm als Modell nicht zur Verfügung stand, hatte er sich von einem befreundeten Maler dessen ständiges Modell ausgeborgt, eine üppige Blondine, die eine heiße Leidenschaft für die Kunst beseelte und die auch die Groschen nicht verachtete, die sie mit ihrer Leidenschaft verdiente. Das römische Plakat war ihm ausgezeichnet gelungen und hatte den Beifall seines Auftraggebers gefunden. Jetzt war Mallorca an der Reihe, und was lag näher, als eine blonde Signorina im Bikini an den palmenüberdachten Strand eines südlich blauen Meeres zu stellen? Er musterte das Modell, Fräulein Mieze, mit kritischen Augen. Helmut griff nach der Kohle und skizzierte mit raschen, sicheren Strichen die Figur in den weißen Fleck des Kartons, auf dem die Linie eines sanft abfallenden Strandes, ein paar Palmen und ein rotes lateinisches Segel vor dem Horizont bereits weiter ausgeführt waren. Eine gute Viertelstunde verging. Helmuth Krönlein griff zu den Pastellkreiden.
    „Zigarettenpause und eine Tasse Tee!“ sagte das Modell und ließ die Hand von den Augen sinken.
    „Machen Sie mir eine Tasse Tee mit und streichen Sie mir ein Butterbrot, ich habe heute noch nichts gegessen.“
    „Aba rauchen wie ein Schlot! Junger Mann, da werdense bald den Tatterich inne Finger kriegen.“
    Sie überbrühte den Tee und stellte die Kanne auf den Tisch. Helmuth Krönlein legte die Kreiden fort und wischte sich die Hände an seinem Kittel ab.
    „Der war auch einmal weiß und unschuldig“, stellte Fräulein Mieze fest, „ick wees nich, daß alle Maler solche Schweine sind! Bei Ihnen sind wenigstens die Tassen sauba, aber beim Herrn Dickhut da graust es einen direkt, wenn man nen Löffel anfaßt.“
    Helmuth Krönlein klemmte sich auf einen Küchenschemel, und Fräulein Mieze nahm auf dem Möbelstück Platz, das in der Nacht ein Bett und am Tage eine Couch sein sollte und weder das eine noch das andere war, denn statt der Polsterung besaß es nichts als ein steinhartes Bretterlager. Sie schenkte den Tee ein, und er griff nach dem Butterbrot — und da klopfte es an der Tür. Er dachte nicht daran, in welch südlich-paradiesischem Zustand sich Fräulein Mieze befand, und sie war an diesen Zustand allzusehr gewöhnt, als daß sie aus einem natürlichen Reflex heraus zu ihrem Mantel gegriffen hätte. Im Gegenteil, sie nahm Helmuth Krönlein noch die Hausherrnpflichten ab und rief laut und»fröhlich: „Herein!“ Martha öffnete die Tür, trat ein und — erstarrte. Lots Weib hätte beim Anblick von Sodom und Gomorrha nicht steinerner erstarren können. Immerhin erstarrte Martha nicht für ewig. Die Versteinerung ihres Körpers — die Augen blieben dabei sehr lebendig — dauerte nur eine flüchtige Sekunde, viel zu kurze Zeit, um Helmuth Krönlein Gelegenheit zu geben, aufzuspringen und die Situation zu erklären. Martha wiederum sprach nicht viel, dazu hatte sie auch viel zu wenig Luft. Sie sagte nur: „Das ist also der tiefere Grund — danke! Jetzt wissen wir Bescheid!“ Sie drehte sich kurz um und war, ehe Helmuth Krönlein noch sein Butterbrot aus der Hand legen konnte, verschwunden.
    „Teufel, Teufel!“ kicherte Fräulein Mieze, „det Fräulein hatte es aba eilich! Wer war’n det eijntlich?“
    „Meine zukünftige Schwiegermutter...“, sagte Helmuth Krönlein nicht allzu heiter.
    Fräulein Mieze begriff sofort, was dieser Besuch und Abzug zu bedeuten hatte: „Rennen Sie ihr doch nach, Mann!“ rief sie und sprang auf, „oder soll ick die Sache in Ordnung bringen? Det is doch im Handumdrehn erledigt!“
    „So, wie Sie sind, Mieze? Das fehlte gerade noch!“ Er preßte die Fäuste gegen die Schläfen und wußte, daß der Karren hoffnungslos verfahren war.

    Martha kochte innerlich vor Zorn und Empörung. Sie spürte solch eine gallige Bitternis und Enttäuschung, als ob sie selber hintergangen worden sei.
    Auf dem Heimweg begegnete ihr Wilhelm Ströndle. Sie sah ihn schon von weitem, ehe er sie entdeckte, und bemerkte mit Erstaunen, was für eine Veränderung mit ihm vorgegangen war. Ihm fehlte nur noch die Blume im Knopfloch und das Stöckchen in der Hand, das er vor fünfundzwanzig Jahren getragen hatte, damals, als sie ihn kennenlernte, den flotten, lustigen Kerl, der jeden Schlagertext kannte, vor Witzen

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