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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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schlug sich die Hand vor den Mund.
    „Noch immer? Teufel ja, da ist ja der olle Ritter Toggenburg ein Waisenknabe dagegen. Aber ich weiß schon genau, wie die Geschichte weitergeht...“
    „Nun, und wie?“ fragte Charlotte mit gespielter Neugier.
    „Du braust mit dem Ritter Delorges am armen Toggenburg vorbei. Na, stimmt’s? Ich kenne doch euch Weiberpackzeug...“
    „Es stimmt!“ gab Charlotte grimmig zu, „genau so mache ich es!“ Sie öffnete das Fenster und winkte huldvoll herunter: „Zehn Minuten müssen Sie noch warten, Ronny!“
    „Zehn Stunden, wenn es sein muß“, schallte es herauf.
    „Galant, galant“, kicherte Werner, „ein Kavalier vom Hohlkopf bis zum Plattfuß. — Jetzt würde es mir nur noch Spaß machen, dem armen Ritter an der Ecke einen Revolver in die Hand zu drücken, denn auf diese Gemeinheit ist er ja nicht vorbereitet.“
    Charlotte lief ins Elternschlafzimmer hinüber. Martha schien sich inzwischen beruhigt zu haben. Sie nickte Charlotte zu und winkte sie heran.
    „Da ist noch etwas Mama. An der Ecke vom Block wartet Helmuth Krönlein darauf, mich zu erwischen, und unten ist Ronny Vollrath vorgefahren, um mich abzuholen...“
    „Was!“ rief Martha elektrisiert und sehr munter, „das trifft sich ja großartig. Na, dem würde ich es zeigen!“
    „Wem?“
    „Daß du so dumm fragen kannst! Dem Krönlein natürlich!“
    „Du meinst wirklich, ich soll...?“
    „Selbstverständlich sollst du!“ rief die Mutter, „auch dann, wenn dir der junge Vollrath völlig gleichgültig ist. Aber dem anderen würde ich es besorgen, an dem würde ich vorbeifahren — so!“ Sie hob die Nase.
    „Dann also, Servus, Mama — ich muß mich rasch noch ein wenig schön machen.“
    „Zieh das graue Kostüm an, darin siehst du fabelhaft aus!“
    Charlotte drehte sich noch einmal um, sie warf Martha einen mißtrauischen Blick zu: wenn du die Absicht hast, mich zu verkuppeln, dann mußt du dir schon einen anderen Mann als Ronny Vollrath aussuchen...!
    Martha stand auf und lugte durch die Gardine auf die Straße. Unten streckte sich Ronny Vollrath lässig in die schwarzen Polster seines Sportzweisitzers, um dessen rote Kühlerhaube sich ein gelber Lederriemen spannte.
    In der Küche spähten Werner und Christa ebenfalls hinunter und beobachteten Ronnys Bemühungen, im Radio einen Sender zu finden, der für diese Fahrt die passende musikalische Untermalung lieferte.
    „Gelbe Schweinslederhandschuhe und ein goldenes Armband am zarten Handgelenk“, murmelte Werner und schüttelte sich, „zum Kotzen, dieser Angeber!“
    „Ich finde ihn todschick!“ sagte Christa hingerissen und neidisch auf Charlottes Glück, „das ist doch ganz etwas anderes als dieser Krönlein mit seinem finsteren Gesicht und seinen Augenbrauen, die wie ein Schnurrbart aussehen, und den ewig ungekämmten Haaren...“
    „So seid ihr Weiber!“ knurrte Werner, „wenn der Kerl nur ein Auto besitzt, dann zittern euch schon die Knie!“ Sie reckten beide die Hälse, denn unten streifte Ronny Vollrath den Handschuh ab, um Charlotte zu begrüßen.
    Sie kletterte graziös auf den rechten Sitz, strich ihren silbergrauen Kostümrock glatt und streckte kokett die bestrumpften Beine aus.
    „Reizend, daß Sie gekommen sind! Haben Sie einen Wunsch, wohin Sie fahren möchten?“
    „Wenden Sie, Ronny, und fahren Sie zunächst einmal nicht allzu schnell um die Ecke!“ — Sie hob den Kopf und blinzelte mit einem Auge nach oben, denn sie vermutete, daß ihre Mutter sich das Schauspiel der Abfahrt nicht entgehen lassen würde, und sie glaubte einen Schatten hinter dem Schlafzimmerfenster zu entdecken, der ihr heftig zunickte und die Finger mit einer Gebärde ballte, die nur bedeuten konnte: zeig dem Kerl an der Ecke, was die Glocke geschlagen hat!
    Helmuth Krönlein promenierte seit einer guten Stunde um den Block herum, und zahllose Zigarettenstummel markierten seinen Weg. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich so ausschließlich auf das Trottoir, daß er dem roten Wagen nicht einen Blick geschenkt hätte, wenn Charlotte nicht auf die Hupe gedrückt hätte. Sie tat natürlich, als sei es aus Versehen geschehen, und legte in dem Augenblick, in dem Helmuth Krönlein emporschreckte und sie erkannte, den linken Arm auf die Lehne von Ronnys Sitz, so daß es so aussah, als umschlinge sie zärtlich seine Schultern. Gleichzeitig aber warf sie den Kopf empor, um anzudeuten, wie völlig Luft alles, was sich dort auf dem Gehsteig bewegte, für sie

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