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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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geschieden“, sagte er wie beiläufig; „den Ring trage ich zum Andenken an eine Ehe, die im Grunde nicht allzu unglücklich war — und als Abwehrmaßnahme. Ich habe sie manchmal nötig.“
    „Erzählen Sie mir nichts über die Frauen! Ich kenne sie zur Genüge, und je mehr ich sie in meiner Boutique kennenlerne, um so mehr neige ich dazu, mich zu einer Frauenfeindin zu entwickeln.“
    „Das ist eine Eigenschaft, die Sie mit den klügsten Vertreterinnen Ihres Geschlechtes teilen! Aber Sie haben mir auf meine Bitte noch keine Antwort gegeben, Fräulein Wendland...“
    „Ich helfe Ihnen gern, Herr Ströndle — und außerdem muß ich mich ja selber um ein Hotel für mich umschauen. Allerdings werden meine Ansprüche bescheidener sein als Ihre.“
    „Wenn ich offiziell reise, dann bleibt mir leider nichts anderes übrig, als in den Riesen-Karawansereien abzusteigen, die ich scheußlich finde. Aber dieses Mal bin ich sozusagen inkognito unterwegs, ohne Sekretär, ohne Anhang und ohne Belastung, — und ich freue mich darauf wie als Schulbub auf die Sommerferien. Aber was langweile ich Sie da mit meinen Geschichten...“
    „Im Gegenteil, erzählen Sie mir mehr! Ich bin noch nie in meinen Leben so reizend unterhalten worden.“
    Er lächelte geschmeichelt, und das Glück sprengte ihm fast die Brust. Wann hatte Martha, oder wann hatten die Kinder ihm je gesagt, daß er charmant zu erzählen verstände? Gelähmt hatten sie ihn, die Schwingen hatten sie ihm gestutzt, seine Entfaltungsmöglichkeiten hatten sie gehemmt, ja, sie hatten sich zwischen ihn und den Erfolg gestellt! Vielleicht hatte ihm das Schicksal, das ihm die Millionenerbschaft schenkte, auch diese Frau über den Weg geschickt, deren Gegenwart ihn so stark erregte, als seien die Fäden zwischen ihnen schon fest verknüpft.
    Jutta Wendland öffnete ihre Handtasche und puderte sich die Nase. Sie war eine schöne Frau, daran gab es keinen Zweifel. Ihr blendendes Aussehen hatte ihr vor einigen Jahren den ersten Preis in einer Schönheitskonkurrenz eingetragen, aber das Glück war ihr nicht hold. Die Filmengagements, von denen sie geträumt hatte, waren ausgeblieben, und der einmalige Erfolg hatte sich nicht wiederholt. Eigentlich hieß sie Johanna Wendland, aber je nach deutscher oder englischer Nachfrage nannte sie sich Jutta oder Jean. Die kleine Boutique in der Nähe des Doms hatte ihr ein Freund tatsächlich einmal eingerichtet. Aber das war lange her, genau ein halbes Jahr länger als der nachfolgende Konkurs, und die Gläubiger trauerten heute noch um ihr Geld. Auch Stanton Grey existierte, und er war tatsächlich Major gewesen, ein sehr fescher Junge, mit dem sie herrliche Tage verlebt hatte. Sie flog nach London, um ihn an ein Heiratsversprechen zu erinnern, an das er sich wahrscheinlich nicht mehr erinnern konnte, denn er war ziemlich betrunken gewesen. Aber sie hoffte, daß ihm ihr Besuch unangenehm genug werden würde, um ihn zu veranlassen, sich freizukaufen, denn er stammte aus einer guten und vermögenden Familie. Der Großzügigkeit eines flüchtigen Freundes verdankte sie die Flugkarte und das Geld, um ein paar Tage sorglos in London leben zu können. — Was für eine wunderbare Fügung, daß ihr dieser goldene Gänserich über den Weg gelaufen war! Und wie sie ihn rupfen würde...!

14.

    Um diese Zeit kletterte Werner steif und durchgerüttelt aus dem Lastzug, der ihn nach Frankfurt mitgenommen hatte. Er trug zweihundert Mark und ein Empfehlungsschreiben seines Meisters und Lehrers Bernhard Brückner in der Tasche, der ihn gestern heftig gegen seine breite Brust gepreßt und ihn mit einem bewegten „Zeuch hinaus, mein Sohn, und erobere dir die Welt!“ entlassen hatte. Nun wanderte er die endlose Eschersheimer Landstraße hinaus, mit einem Koffer, der zwei Anzüge, ein Paar Schuhe und etwas Wäsche enhielt. An einer Ruine, deren untere Stockwerke ein Notdach abschirmte, während durch die Fensterhöhlen der oberen Stockwerke die Sonne schien, entdeckte er endlich die gesuchte Hausnummer und das Namenschild des Mannes, der über sein künftiges Schicksal entscheiden sollte: Holger Leopardi, Theaterdirektor. Laut klopfen! Klingel funktioniert nicht! stand unter dem Schild an der Haustür.
    Werner stellte den Koffer ab und atmete lange und tief. Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn, denn der Koffer und der lange Weg hatten ihn warm gemacht. Was würde er vorsprechen müssen? Den Romeo... den Hamletmonolog... den Schüler oder den Wagner

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