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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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eine kluge Frau sind! Schön und gescheit — wehren Sie nicht ab, ich bin alt genug, um Ihnen ein Kompliment machen zu dürfen!“
    „Jetzt kokettieren Sie mit Ihrem Alter“, sagte sie und warf den Kopf zurück, „es ist zu komisch, daß alle Männer zwischen vierzig und fünfzig auf ihre grauen Schläfen stolz sind wie auf einen Orden. Dabei haben Sie natürlich längst entdeckt, daß die meisten Frauen junge Männer unausstehlich finden. Gestehen Sie es doch ruhig ein, daß Sie es sich gar nicht wünschen würden, noch einmal fünfundzwanzig zu sein!“
    „Hm, es käme darauf an! Mit meinem Vermögen und mit meinen Erfahrungen hätte ich nichts dagegen!“
    „Ja, aber leider schließt das eine das andere aus.“
    „Und darauf wollen wir noch einen kleinen Schluck trinken — falls Sie dabei sind, Fräulein Wendland...“
    „Einen winzigen Schluck...“
    „Und worauf?“
    Sie hob den Becher: „Daß England uns nicht enttäuscht!“
    „Das ist ein ausgezeichneter Trinkspruch! Daß England uns nicht enttäuscht!“
    „Sie fliegen gewiß in geschäftlichen Angelegenheiten nach London...“
    Er zerdrückte seine Zigarette im Aschenbecher auf der Armlehne und schlug die Beine übereinander: „Ja, so könnte man es auch nennen, mein gnädiges Fräulein. Ich habe eine ziemlich wichtige Unterredung mit dem Staatssekretär Fullard und mit dem Lordschatzkanzler...“
    „Oh!“ unterbrach sie ihn überrascht und enthob ihn der Verlegenheit, den Namen des Lordschatzkanzlers erfinden zu müssen, „Sie sind Diplomat? Ich habe Sie für einen Industriellen gehalten.“
    Er betupfte sich die Mundwinkel mit dem Taschentuch: „Mein zweites Kompliment gilt Ihrer Menschenkenntnis, Fräulein Wendland. Sie haben richtig geraten. Aber verzeihen Sie die Frage, wie sind Sie darauf gekommen?“
    „Sie haben vergessen, Herr Ströndle, daß ich in einem Industriegebiet lebe und daß die Damen der Großindustrie mir meine ziemlich teuren Modelle abnehmen. Und manchmal finden auch ihre Männer den Weg in meinen Salon. Sie bringen einen undefinierbaren Geruch nach Geld mit, den ich äußerst angenehm finde... Verzeihen Sie, das war wohl ein wenig frech...“
    „Im Gegenteil, ich finde es reizend. Hm, und Sie haben also festgestellt, daß auch ich diesen ominösen Geruch an mir habe?“
    „Ich finde ihn wunderbar. Aber darf ich fragen, was Sie fabrizieren?“
    „Hm, ich habe viele Interessen, und die stärksten an den Dingen, die sich am raschesten verbrauchen — Lebensmittel zum Beispiel..
    „Es müssen riesige Betriebe sein, wenn Sie zwanzigtausend Menschen beschäftigen...“
    „Die Zahl war willkürlich gewählt, ganz so viele sind es nicht, aber ich nehme an, daß es in kurzer Zeit mehr als doppelt so viele sein werden. Meine Reise nach London hängt damit zusammen. Um es kurz zu sagen: die Bank von England schuldet mir die Kleinigkeit von zweihundert Millionen Mark.“
    Sie glaubte sich verhört zu haben und drehte sich ihm zu: „Was sagten Sie da?“ fragte sie fassungslos.
    „Zweihundert Millionen, es können auch ein paar mehr sein“, sagte er schlicht. Es klang, als würde er durch diesen Vermögenszuwachs nicht wesentlich reicher, als er es schon war. Er spürte, daß sie ein wenig von ihm abrückte. Vielleicht glaubte sie, es mit einem Wahnsinnigen zu tun zu haben.
    „Es verknüpft sich damit eine ganze Geschichte“, sagte er und ließ es sich anmerken, daß ihre veränderte Haltung ihn amüsiere.
    „Zweihundert Millionen“, murmelte sie.
    „Ich habe das Gefühl, Sie erschreckt zu haben...“
    „Oh, ich bin sonst durchaus nicht schreckhaft, aber wie Sie von zweihundert Millionen sprechen, als handle es sich um meine Ladenmiete von dreihundert Mark, das verschlägt mir allerdings die Sprache.“
    „Ach, mein liebes Fräulein Wendland“, sagte er ein wenig müde, „das kommt nur auf den Standpunkt des Betrachters an. Henry Ford oder der alte Rockefeller warfen solche Summen nebenbei als Stiftungen aus, und sie wurden wahrhaftig nicht ärmer dabei. Geld an sich ist uninteressant. Interessant wird es erst, wenn es arbeitet. Glauben Sie mir, diese englischen Millionen machen mir vorläufig nur Sorgen, ernste Sorgen.“
    Sie sah ihn mit einem Ausdruck an, als wäre sie gern bereit, ihm wenigstens einen Teil seiner Sorgen abzunehmen: „Aber Sie wollten mir eine Geschichte erzählen, Herr Ströndle...“ Sie beugte sich vor, um ihre Kostümjacke abzulegen. Er war ihr behilflich und spürte einen Schlag gegen

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