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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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aus dem Faust… den Claudio aus „Maß für Maß“? — „Ja! Aber sterben! Gehn, wer weiß wohin — daliegen kalt, eng eingesperrt und faulen; dies lebenswarme, fühlende Bewegen verschrumpft zum Kloß...“
    Er ließ die Arme sinken und preßte die Stirn gegen die kühle Glasfüllung der Tür. … „und der entzückte Geist, getaucht in Feuerfluten oder schaudernd umstarrt von Wüsten ew’ger Eisesmassen; gekerketr sein in unsichtbare Stürme und mit rastloser Wut gejagt rings um die schwebende Erd…“ Er hob die geballten Fäuste und formte mit einer großen Geste den durch das unendliche All sausenden Globus...
    „He! Junger Mann, spinnen Sie am hellen lichten Nachmittag?“ fragte eine kichernde Stimme hinter ihm. Er fuhr verwirrt herum und stand einem jungen Mädchen gegenüber, das ihn vergnügt musterte.
    „Ich wollte zu Herrn Direktor Leopardi...“, stotterte er errötend.
    „Wozu fuchteln Sie dann mit den Armen herum, anstatt zu klopfen?“ fragte die junge Dame verwundert, „oder Moment mal!“ sie betrachtete ihn mit neuem Interesse, „sind Sie etwa der jugendliche Held und Liebhaber, den uns der olle Brückner so warm empfohlen hat?“
    „Herr Brückner war mein Lehrer...“, sagte er noch verwirrter.
    „Das habe ich an Ihren Händen gemerkt!“ grinste sie; „nun seien Sie mal ehrlich, was haben Sie da noch rasch vor der Haustür mit schlotternden Hosen repetiert? Den Hamlet oder...“
    „Den Claudio...“, murmelte er mit purpurroter Stirn.
    Sie hüpfte vor Vergnügen: „Ich hab’s geahnt! Ich habe es fast geahnt! — ,Ja, aber sterben, gehn, wer weiß wohin’... und dann das Ding mit der schwebenden Erde... das war der Kloß, den Sie in der Luft formten, was?“
    „Wer sind Sie überhaupt?“ fuhr er sie wütend an.
    „Ophelia, Isabella, Gretchen, Egmonts Klärchen und das Käthchen von Heilbronn, Cordelia und Teils Knabe, und den Apfel darf ich hinterher nicht fressen, denn es ist der einzige, den wir besitzen.“ Sie schüttelte sich vor Lachen über sein Gesicht: „Und sonst heiße ich Cornelia Blank, aber das ist mein Künstlername und der Mädchenname von meiner Mutter. Richtig heiße ich nämlich Widderkopf, und da hat Papa Leopardi gleich gesagt: Widderkopf, mein liebes Kind, das ist kein Name, sondern ein Belagerungsgerät aus dem Mittelalter. Und Sie heißen Strö-strö-strö... wie war es doch gleich?“
    „Werner Ströndle.“
    „Richtig! Und das kann man lassen, wie es ist, hat Papa Leopardi gesagt.“
    „Sind Sie schon lange bei Direktor Leopardi?“
    „Ein Jahr. — Aber brechen Sie sich bloß nichts ab. Den Direktor können Sie an den Garderobenhaken hängen. Es heißt Pappa Leopardi und Mamma Leopardi, richtig mit zwei P und zwei M...“
    „Für Sie! aber noch nicht für mich.“
    „Na los, dann klopfen Sie endlich, damit Sie auch in diesen Genuß kommen.“
    „Noch eine Frage, Fräulein Blank...“
    Sie legte die Hand erwartungsvoll an die Ohrmuschel; ein hübsches, aber etwas kapriziöses Mädchen, sehr schmalhüftig, fast überschlank, mit zarten Brüsten. Ihr blondes Haar war straff aus den Schläfen gebürstet und fiel in einem Schopf, der durch ein schmales Band zusammengehalten wurde, über den Rücken.
    „Bietet Leopardi einem eine Chance, weiterzukommen?“
    Sie sah ihn aus ihren großen braunen Augen ein wenig ironisch an: „Menschenskind, was machen Sie sich für komische Gedanken? Chancen? Ich habe keine Ahnung, ob Leopardi uns Chancen bietet. Wir lernen bei ihm Rollen, bis uns die Rippen krachen. Na, Sie werden noch Ihr blaues Wunder erleben! — Ihre Chancen, werter Herr, die liegen da und da“, sie tippte sich mit der Spitze des Zeigefingers leicht gegen Kopf und Herz, „und wenn Sie etwas können, dann spielen Sie nach fünf Jahren oder nach einem bei Gründgens oder in den Münchner Kammerspielen, und wenn Sie zum Stümper geboren sind, im Stadttheater von Kyritz an der Knatter, oder Sie verschwinden überhaupt in der Versenkung, capito?“
    „Und wovon lebt man inzwischen?“ fragte er. „Inzwischen lebt man von den klotzigen Gagen, die Pappa Leopardi zahlt. Wir haben schon Monate gehabt, wo wir auf fünfhundert pro Nase gekommen sind.“
    „Is ja doll!“ rief er und trommelte entschlossen gegen die Tür. „Und wo wohnen Sie?“
    „Sie, junger Mann und Held, wenn Sie vielleicht mit mir ein Techtelmechtel anfangen wollen, dann wird Ihnen Mamma Leopardi furchtbar auf die Pratzen hauen!“
    „Quatsch, Fräulein, Sie sind nicht

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