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Die innere Freiheit des Alterns

Die innere Freiheit des Alterns

Titel: Die innere Freiheit des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Riedel
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solcher Erfahrungen auch den Mut zu neuen, gemeinschaftlichen Wohnformen im Alter finden!
    Eine weitere Zugehörigkeit von vielen Frauen meiner Generation zu einer zeitgeschichtlichen Strömung, die derzeit keineswegs überholt ist, sondern nur überdeckt, teilweise überrollt, ist die zur weltweiten feministischen Bewegung, die sich in einen eher politisch-gesellschaftskritischen und einen mehr kulturell-spirituellen Flügel ausdifferenzierte. Für viele Frauen meiner Generation erwachte mit der feministischen Bewegung überhaupt erst das Bewusstsein für die Reichweite der gesellschaftlich-politischen Beteiligung der Frauen auf sehr vielen Ebenen und für die gleichzeitige mangelnde Repräsentanz der Frauen im kulturellen und spirituellen Bereich – und dies schon seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden. Ich merkte es im Rahmen der Kirche, auch der evangelischen, in der die Frauen auch nach Abschluss meines ersten Studiums – dem der evangelischen Theologie, um 1959 – in einigen deutschen Landeskirchen noch nicht zur Ordination zugelassen waren. Frauengeschichte wurde dann in unserer Generation und von ihr ausgegraben und damit ein neues Selbstbild, Selbstbewusstsein der Frau geschaffen, mit Verankerung in vorpatriarchalen Phasen der Menschheit. Frauengeschichte wurde zum Beispiel durch die großartigen Feldforschungen der litauischen Archäologin Marija Gimbutas in Osteuropa erschlossen, ausgegraben, oder auch von Männern wie Otmar Keel, dem Ordinarius für Altes Testament an der Universität Fribourg, der sein wissenschaftliches Lebenswerk der Erforschung der Erscheinungsformen von »Gott weiblich« im gesamten Vorfeld und Umfeld der biblischen Tradition widmete. Es zeigte sich in einer überwältigenden Fülle von Belegen, dass jahrtausendelang die Symbolisierung der eigentlichen Lebensmacht, des Göttlichen, im Weiblichen geschah, ehe das Patriarchat aufkam, das Frauen wie Männer unserer Generation noch stark geprägt hat und das bis heute auf seine Ablösung wartet, nicht durch ein neues Matriarchat, sondern durch eine Geschwisterlichkeit bzw. wirkliche Partnerschaftlichkeit von Mann und Frau, von männlichen und weiblichen Werten und Lebensstilen.
    Das Bedeutsame der feministischen Bewegung ist und war,dass sie Frauen aktiv werden ließ bis in gesellschaftlich-politische Belange hinein; eine Frauenforschung an Universitäten entstand, bis hin zur Entwicklung einer feministischen Theologie, einer feministischen Journalistik und Literatur. Frauengruppen blühten auf, die einander weitreichende gegenseitige Hilfe zur Entwicklung einer würdigen weiblichen Identität gaben, auch zur Verarbeitung von Beschädigungen durch das Patriarchat, von männlicher Dominanz und Übergriffen, sei es im beruflichen, familiären oder ganz persönlichen Bereich. So wurden auch spezielle Formen feministischer Therapie entwickelt, Formen des »affidamento«, der gegenseitigen freundschaftlichen Begleitung von Frauen untereinander. 41
    Auch die Frauenbewegung gehört zu den Glücksfällen innerhalb der Lebensspanne, die der weiblichen Generation der heutigen Sechzig- bis Achtzigjährigen zuteil wurde, also auch mir. Auch für die Männer brachte sie neue Entwicklungen, die sich in einem neuen »nachpatriarchalischen« Selbstverständnis vieler Einzelner, einem neuen Verständnis auch von Partnerschaft und Vaterschaft niederschlugen.
    Viele von uns wurden entscheidend durch die Berührung mit der feministischen Bewegung auch durch Frauengruppen geprägt. Es sind die Alten unter uns, die dieser Bewegung – die manche Jüngere für überholt ansehen, obgleich sie auf deren Schultern stehen – die Treue halten. Denn sie wissen, was sie ihr verdanken, und wissen, wie vieles von den Zielen noch uneingelöst und gesamtgesellschaftlich, aber auch im Blick auf die eigene Identität, noch aussteht.
    Ähnlich ist es vielen unserer Generation mit den damaligen Anfängen der Umwelt- und Friedensbewegung ergangen, die zur Selbstfindung und Findung unseres verantwortlichen »Ortes in der Welt« wesentlich beitrugen – und sich heute als brennend aktuell erweisen, für die Zukunft unserer Kinder, Enkel, ja für das Überleben der ganzen Menschheit!
    Es ist wichtig, dass wir in unserer Erinnerung und in dem Verständnis unserer Identität diese Bewegungen in Ehren halten und als Zeitzeugen bereit sind, ihre Werte weiterzugeben.

Es ist immer Jetzt – Vom Sinn des Reisens im Alter
    Da die vor uns liegende Lebenszeit im Vergleich zu früheren

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