Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
schadeten sie den Gegnern der Inquisition mehr als sie nutzten, weil Märtyrer geschaffen wurden und das entschiedenere Eingreifen der Kurie provoziert wurde. Und natürlich muß die Bedeutung des Widerstandes gegen diejenige allfälliger Kollaboration mit und Denunziation vor der Inquisition abgewogen werden. Oft zeigen die Inquisitionsprotokolle eine Fraktionierung der einheimischen Bevölkerung, die von der Inquisition erfolgreich ausgenutzt werden konnte.
Eine unabgeschlossene Geschichte: Um 1500 lassen die Historiker in der Regel das Mittelalter enden. Die mittelalterliche Inquisition überdauerte diese – eher willkürlich gesetzte – Epochengrenze vielerorts. In Frankreich existierten mindestens in Toulouse und Carcassonne weiterhin päpstliche Inquisitoren. Allerdings taten sie sich vor allem durch Konflikte bei der Ämternominierung und -vergabe hervor. Zu einer krisenhaften Zuspitzung kam es in den 1530er Jahren: Der 1531 zum Inquisitor bestimmte Arnaud de Badet mußte aufgrund einer Häresieanklage weichen, der 1536 ins Amt gekommene Louis de Rochette endete zwei Jahre später unter dem Verdikt der Ketzerei (oder Sodomie) sogar auf dem Scheiterhaufen. Wie in den übrigen Gebieten übernahm nun auch im Languedoc die königliche Gerichtsbarkeit, die bisher bereits der päpstlichen Inquisition enge Grenzen gezogen hatte, die Jurisdiktion in Ketzersachen. In Deutschland war der 1527 gestorbene Jacob von Hochstraten in Köln der letzte profilierte Vertreter der päpstlichen Inquisition. Danach wurde sie in der Rheinmetropole wohl endgültig zum Papiertiger. Auf einen überaus engagierten päpstlichen Inquisitor stoßen wir jedoch noch Mitte des 16. Jahrhunderts weiter westlich, in der südniederländischen Grafschaft Flandern, die bereits früher einen Schwerpunkt inquisitorischer Tätigkeit dargestellt hatte. Peter Titelmans (1501–1572) ging energisch gegen Protestanten vor; er verhandelte zwischen 1548 und 1566 fast 1400 Häresiefälle und war für 127 Hinrichtungen verantwortlich. Insgesamt aber blieb Titelmans – im niederländischen wie im nord- und westeuropäischen Raum überhaupt – die Ausnahme. Ketzerrepression im 16. Jahrhundert bedeutete vor allem staatliche Verfolgung. Nicht nur der Niedergang der Inquisition in vielen Teilen Europas belegt diese Behauptung, sondern auch und gerade ihre erfolgreiche Reorganisation in Spanien und Italien.
IV. Die Spanische Inquisition der Neuzeit
1. Entstehung und Entwicklung
Mit einer Bulle vom 1. November 1478 stellte Papst Sixtus IV. die Weichen für die Einsetzung von zwei oder drei Inquisitoren in der Stadt Sevilla; ihre Ernennung oder Entlassung sollte in die Verfügungsmacht der Krone von Kastilien gestellt sein. Obwohl das päpstliche Schreiben zweifellos auf eine Initiative eben dieser Krone zurückgeht, dauerte es fast zwei Jahre, bis von der Vollmacht Gebrauch gemacht wurde. Am 27. September 1480 wurden in Medina del Campo zwei Dominikaner als Inquisitoren ermächtigt. Nachdem es in Sevilla am 6. Februar 1481 zu einer ersten Verbrennung von sechs Ketzern auf dem Scheiterhaufen gekommen war, weitete sich der Aktionsradius der Inquisition sukzessive aus. Im Februar 1482 wurden sieben weitere Inquisitoren ernannt, darunter der Prior der Dominikaner von Santa Cruz in Segovia, Tomás de Torquemada OP (gest. 1498). Nach Sevilla und Córdoba kamen in den 1480er Jahren weitere Inquisitionstribunale hinzu, vorerst vornehmlich in Andalusien. Bereits 1483 wurde Torquemada in Aragón zum Generalinquisitor ernannt. 1488 etablierte sich im Zuge einer Reform der Regierungsorgane ein eigener Rat für die Inquisition (
Consejo de la Suprema y General Inquisicion
), der zunächst aus drei geistlichen Mitgliedern und einem vierten als Präsidenten bestand. Zum ersten Amtsinhaber als Generalinquisitor für Aragón
und
Kastilien wurde Tomás de Torquemada.
Die Anfänge der Spanischen Inquisition nehmen sich eher unspektakulär aus. Zu einer Zeit entstanden, die wir gemeinhin noch zum Mittelalter rechnen, war um 1480 noch kaum zu erkennen, daß es sich um einen ganz neuen Typus von Ketzerverfolgung handeln sollte, der sich in seiner Struktur deutlich von den Vorläufern abhob und eine neuzeitliche Institution darstellte. Sicherlich, es blieben die päpstliche Legitimation, diekirchlichen Rechtsbefugnisse der Inquisitoren und die generelle Anlehnung an das bewährte Verfahren. Gleichwohl handelte es sich bei der Spanischen Inquisition in erster Linie um
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