Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
eine staatliche Einrichtung, deren hohe Amtsträger von den weltlichen Herrschern ernannt wurden. Der Inquisitionsrat, die
Suprema
, war ein Gremium der Krone neben anderen, allerdings von herausgehobener Bedeutung: Es handelte sich zur Gründungszeit um die einzige Behörde, die die beiden spanischen Königreiche Kastilien und Aragón überwölbte und die somit – langfristig – einen wichtigen Baustein für eine neue, gesamtstaatliche Identität darstellen sollte. Schnell entwickelte sich die spanische Inquisition zu einer regelrechten Behörde mit hierarchischem Aufbau, stringentem Geschäftsgang und flächendeckender Ausbreitung im gesamten Herrschaftsgebiet der spanischen Krone. Aber nicht nur ihre Struktur war eigenartig, sondern auch die Zielgruppe, der sie ihre Entstehung verdankte. Zu beider Verständnis müssen wir auf die Vorgeschichte und die Hintergründe ein wenig näher eingehen.
Neue Inquisition, neue Zielgruppe: Die iberische Geschichte des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit war politisch durch die Existenz mehrerer Königreiche gekennzeichnet. Neben dem kleinen Königreich Navarra, das lange unter französischem Einfluß stand, bevor es 1515 der Krone von Kastilien inkorporiert wurde, waren das vor allem drei Herrschaftsbereiche: Im Westen der Halbinsel lag Portugal, das mit seiner Expansion auf die Kanaren, die Azoren und Madeira an der afrikanischen Küste bereits ganz atlantisch ausgerichtet war. Die zweite bedeutende Macht, das Königreich Aragón, hatte sich mit dem Fürstentum Katalonien und dem Königreich Valencia wichtige, ehemals selbständige Gebiete einverleibt. Bereits seit Mitte des 13. Jahrhunderts gehörten die Balearen zum aragonesischen Herrschaftsgebiet, seit Ende dieses Jahrhunderts auch Sizilien; später kam Sardinien dazu, und seit 1431 gelang König Alfons V. die Eroberung des Königreichs Neapel. Damit war Aragón die eindeutige Vormacht im westlichen Mittelmeer. Von der Größe und von der territorialen Lage her war dagegen das dritte KönigtumKastilien-Leon die zentrale Macht auf der Iberischen Halbinsel; doch wurde es lange durch schwache Herrscher und innere Bürgerkriege paralysiert. 1474 aber kam Isabella (1451–1504) an die Regierung, seit 1469 verheiratet mit dem Erbprinzen von Aragón, Ferdinand (1452–1516, reg. ab 1479). Dieses Herrscherpaar, das als die «katholischen Könige» in die Geschichte eingehen sollte, trieb den inneren Ausbau eines spanischen Reiches voran; trotz einiger politisch-rechtlicher Eigenständigkeiten war die Vereinigung beider Königreiche mittelfristig besiegelt. Damit einher ging eine entschlossene Expansion nach außen. Binnen gut zehn Jahren wurde in einem harten Krieg die letzte moslemische Bastion auf der Iberischen Halbinsel erobert, das nasridische Königreich. Granada fiel 1492.
Christen, Muslime und Juden bevölkerten die Iberische Halbinsel im Mittelalter. Ihr Zusammenleben (
convivencia
) kennzeichnete in einzigartiger Weise eine politisch-religiöse Kultur, die bisweilen – wohl etwas zu schönfärberisch – als Multikulturalismus beschrieben worden ist. Koexistenz schloß jedoch heftige Konflikte nicht aus. Sie manifestierten sich etwa in den Kämpfen zwischen den Muslimen, die sich im andalusischen Königreich von Granada konzentrierten, und den Christen, die im Rahmen der
Reconquista
nach der völligen Christianisierung Spaniens strebten. Auch war das Zusammenleben nicht von Gleichberechtigung geprägt: Unter christlicher Herrschaft waren sowohl die Muslime als auch die Juden in mancherlei Hinsicht diskriminiert. Aber es gab doch ein pragmatisches Zusammenleben. Mit dem Abschluß der
Reconquista
durch die katholischen Könige am Ende des 15. Jahrhunderts sollten sich die sozio-politischen Rahmenbedingungen entscheidend ändern. Als erste waren die Juden bzw. die Christen jüdischer Herkunft betroffen.
In ganz Europa existierte seit dem 12. Jahrhundert eine wachsende Judenfeindlichkeit. Sie gipfelte 1290 in der Vertreibung aller Juden aus England; Frankreich folgte 1306. Auch im multikulturellen Spanien steigerte sich der Judenhaß seit Mitte des 14. Jahrhunderts, nicht zuletzt durch die Prediger der Bettelorden angeheizt. Die Zahl der jüdischen Gemeinden und ihrerMitglieder verringerte sich. Vielfach wurden die Rechte der Juden beschnitten, etwa durch Berufsverbote, Verbote des Austauschs zwischen Juden und Christen (was etwa für Ärzte fatal war) oder diskriminierende Kleidervorschriften. Am
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