Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Ende des 14. Jahrhunderts kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Im Sommer 1391 erlebten viele große Städte der Königreiche, etwa Sevilla, Valencia und Barcelona, schwere Judenpogrome. Wer nicht ermordet oder vertrieben wurde, den zwang man, zum christlichen Glauben überzutreten.
Conversos
: so nannte man nicht nur die vom Judentum übergetretenen Neuchristen der ersten Generation, sondern auch ihre Nachfahren. Diese
Conversos
gehörten allen sozialen Schichten an. Vielen neuchristlichen Familien aber gelang ein schneller sozialer Aufstieg in die städtischen und staatlichen Führungsschichten ebenso wie in der kirchlichen Hierarchie, der Konflikte und Konkurrenz verursachte. So gab es Mitte des 15. Jahrhunderts, etwa in Toledo, Streitigkeiten zwischen Neuchristen und altchristlichen Fraktionen. Letztere begannen, ideologisch aufzurüsten und ihre Gegner aufgrund der Herkunft zu diskriminieren.
In der spanischen Gesellschaft des Spätmittelalters verstanden sich nicht nur die Adligen als Ehrenmänner, als
hidalgos
. Die Fixierung auf die Ehre führte zu einer Ausgrenzung von Menschen, die sozial deklassiert oder andersartig erschienen. Mitte des 15. Jahrhunderts setzten Bestrebungen ein, die altchristliche Abstammung zu einem Ausweis von besonderer Ehrenhaftigkeit zu machen. Das Eindringen der Abkömmlinge von Juden und Muslimen bis in die höchsten Kreise setzte, gleichsam als Gegenreaktion, einen verhängnisvollen Diskurs über die Reinheit des Blutes (
limpieza de sangre
) in Gang. Spätestens mit der Verabschiedung eines Statutes in Toledo 1449, nach dessen Bestimmungen kein
Converso
irgendein öffentliches Amt in der Stadt Toledo einnehmen dürfe, war die Tür für diskriminierende Maßnahmen gegenüber Neuchristen weit offen. Verschiedene Institutionen nahmen in den folgenden Jahrhunderten ähnliche Statuten an: Stadträte, Universitäten, Domkapitel und Mönchsorden verweigerten den Neuchristen wegen mangelnder
limpieza de sangre
den Zugang.
Unumstritten sollte die Ideologie von der Reinheit des Blutes nie sein. Viele Institutionen erließen nie entsprechende Statuten; wo sie existierten, wurden sie oft nur schleppend umgesetzt oder gar ignoriert. Und schließlich formierte sich schon früh eine entschiedene Opposition. Bereits Papst Nikolaus hatte in einer Bulle von September 1459 die Idee, Christen einzig aufgrund ihrer Abstammung zu diskriminieren, als unchristlich und irrig verdammt. Selbst die Inquisition sollte später in dieser Frage tief gespalten sein. Viele ihrer Amtsträger vertraten die Reinheitsideologie und trugen durch die Verurteilung von
Conversos
und die stetige Betonung der Gefahr des «Judaisierens» zur ideologischen Verfestigung des Feindbildes bei. Durch ihre Strafpraxis, insbesondere die Ehrenstrafen, wurde zudem die Erinnerung an Verurteilungen durch die Inquisition lebendig gehalten. In der großen Debatte über die Reinheit des Blutes seit den 1580er Jahren nahmen jedoch die Generalinquisitoren, zunächst Gaspar de Quiroga (amt. 1573–1594) und dann sein Nachfolger Fernando Niño de Guevara (amt. 1599–1602), einen sehr kritischen Standpunkt ein. Beide befürworteten weitgehende Reformen und Beschränkungen der Statuten über die Reinheit des Blutes, wurden aber von der
Suprema
überstimmt – ein ungewöhnlicher Vorgang. Das Prinzip der Reinheit des Blutes überlebte die ideologische Kontroverse an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert und blieb bis ins 18. Jahrhundert hinein wirksam. Trotz seiner begrenzten praktischen Durchschlagskraft symbolisierte es ein verhängnisvolles Ausgrenzungspotential der spanischen Gesellschaft.
Zurück zur Entstehungsphase der Inquisition, die zweifellos ein zentraler Bestandteil dieser Ausgrenzungsbestrebungen war. 1461 forderte eine Gruppe von Franziskanern, geführt durch Alonso de Espina, unter Verweis auf das französische Vorbild die Einführung einer Inquisition gegen Häretiker. Allmählich verdichteten sich die Stimmen für ein systematisches Vorgehen gegen die Neuchristen. 1477 predigte der Dominikanerprior von Sevilla, Alonso de Hoyeda, vor Königin Isabella über die Gefahr, die von den
Conversos
ausgehe; auch er forderte eine entschlossene Inquisition gegen Häretiker. 1478 bzw. 1481 schließlich gelangtendie Advokaten der Verfolgung ans Ziel. Angehörige der Bettelorden spielten bei der Initiierung der neuen Inquisition somit eine Schlüsselrolle – daß ihnen als Inquisitoren in Spanien keineswegs die Zukunft gehörte,
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