Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
der Inquisitoren entschied, kam dabei vor allem den weltlichen Gewalten, den Ortsbischöfen und der jeweiligen Bevölkerung Bedeutung zu. Was das Verhältnis zwischen Inquisition und Politik angeht, so ist auf der einen Seite die Kooperationsunwilligkeit der regionalen Eliten in Südfrankreich oder im nördlichen Italien gerade in der Anfangsphase des Antiketzerkampfes notorisch. Umgekehrt nutzten oft die zentralen Gewalten,etwa die Könige von Aragón oder die französische Krone, die Tätigkeit der Inquisitoren zur Durchsetzung ihrer politischen Zentralmachtinteressen.
Permanente Kompetenzkonflikte mit den Ortsbischöfen, den ursprünglichen Zentralakteuren kirchlicher Ketzerpolitik, durchziehen die gesamte Geschichte der Inquisition. Nach jahrzehntelangen Dauerstreitigkeiten versuchte 1311 das Konzil von Vienne mit der Formulierung der beiden Dekretalen
Multorum querela
und
Nolens
einen Weg des Ausgleichs zu finden. Das Inquisitorenamt, so wird dort ausdrücklich bestimmt, soll vom Diözesanbischof und von dem vom Apostolischen Stuhl bestellten Inquisitor gemeinsam ausgeübt werden. Beide können unabhängig voneinander vorladen und gefangennehmen. Jedoch: Die Anwendung strenger Kerkerhaft, die Folter und die Urteilssprechung ist keinem der beiden ohne Zustimmung des jeweils anderen erlaubt. Für die Gefangenenaufsicht bestellt jede Seite einen Aufseher mit Schlüsselgewalt. Derartige Regelungen konnten die Spannungen auf Dauer nicht beseitigen. So lieferte sich der bischöfliche Inquisitor Fournier bei seinen Ermittlungen im Ketzerdorf Montaillou hinter den Kulissen ein heftiges Duell mit dem päpstlichen Inquisitionstribunal in Carcassonne, bei dem beide Seiten fleißig Angehörige der Gegenpartei inhaftierten. Denn in Montaillou herrschte als «leidenschaftlicher und rachsüchtiger Dorfnapoleon» (Lambert) der Priester Petrus Clerici, ein heimlicher Anhänger der Katharer, der aber trotzdem höchst erfolgreich als Spitzel der päpstlichen Inquisition tätig war. Mit Vorliebe lieferte er den Ketzerverfolgern in Carcassonne persönliche Gegner ans Messer, und zeitweilig schaffte er es, sie erfolgreich gegen den Bischof und seine Informanten zu instrumentalisieren. Kein Wunder, daß das Verhältnis beider kirchlicher Ordnungsmächte zerrüttet war. Von ähnlichen Spannungen zeugt ein Fall aus der Frühphase der Hexenverfolgung. Von Rom kommend begann 1485/86 der Inquisitor Heinrich Institoris in Innsbruck mit Ermittlungen gegen vorgebliche Hexen; an der Kurie hatte er von Papst Innozenz VIII. die berühmte Hexenbulle
Summis desiderantes affectibus
erwirkt, die ihm den Weg zur Verfolgung von Zauberern und Hexen frei machen sollte. Bei der Eröffnungseiner Ermittlungen zunächst noch allseits unterstützt, wurde seine Prozeßführung jedoch schnell als skandalös empfunden. Der Ortsbischof Georg Golser setzte sich an die Spitze des lokalen Widerstandes und pochte auf seine normale Amtsgewalt. Bischöfliche Kommissare erreichten mit einer Nullitätsklage schnell die Freilassung der noch inhaftierten Personen und drohten sogar damit, Institoris wegen unrechtmäßiger Prozeßführung seinerseits verhaften zu lassen. Golser selbst höhnte in einem Brief vom Februar 1486, der (fünfundfünfzigjährige) Ketzerjäger sei wohl wegen seines Alters ganz «kindisch» geworden und leide an Wahnvorstellungen. Derartige Episoden markieren Extrembeispiele und dürfen nicht dazu verführen, den Gegensatz zwischen Inquisitoren und Bischöfen zu überzeichnen. Gewöhnlich handelte es sich um einen Kompetenz- und nicht um einen Meinungsstreit. Häufig waren es gerade die Bischöfe, die sich mit dem Instrument des Inquisitionsprozesses erfolgreich auf Ketzerjagd machten. Insofern liegt der Erfolg der päpstlichen Inquisition gerade darin begründet, daß ihr Handwerkszeug sich auch von anderen, geistlichen wie weltlichen Akteuren, anwenden ließ.
Für den Widerstand der Bevölkerung gegen die Inquisition schließlich wurden bereits etliche Beispiele gebracht. Die Vielzahl konkreter Widerstandshandlungen konnte von schlichter Verweigerung, von falschen Zeugenaussagen oder dem Sich-Entziehen über die Beschimpfung des Inquisitors als «Teufel» oder «Antichrist» bis hin zur Zerstörung der Häuser, der Inquisitionsregister oder zur Ermordung der Inquisitoren reichen – keine Einzelfälle in der Geschichte der Inquisition. Gerade die erfolgreichen Attentate zeigen natürlich auch die Kehrseite des Widerstandes. Langfristig
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