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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Strafverfahren war sie Bestandteil des Römischen Rechts, wurde freilich in der Antike vornehmlich – außer z.B. bei Majestätsverbrechen – gegenüber Sklaven angewandt. Als ein neues Beweismittel wurde sie von mittelalterlichen Juristen im Rahmen der Wiedererschließung des Römischen Rechts zunehmend rezipiert und ihre Anwendung auch bei Freien für legitim erklärt. Seit den 1220er Jahren wurde die Tortur zunehmend in den Statuten der oberitalienischen Stadtstaaten verankert. Von dort, vom weltlichen Recht,fand sie ihren Weg in das Inquisitionsverfahren. Die kirchliche Inquisition hatte mithin auch keineswegs ein Monopol auf die Anwendung der Folter, sie konnte prinzipiell Bestandteil jedes – weltlichen wie kirchlichen – Kriminalprozesses sein. So pervers uns die Erpressung von Geständnissen durch physische Gewalt heute erscheint, nach der zeitgenössischen Rechtsphilosophie erschien sie oft unverzichtbar: War nicht das Geständnis die Königin der Beweise? Wie sollte man ohne ein solches einen Verbrecher zu schweren Strafen verurteilen, wenn es keine Augenzeugen der Tat gab? Und existierte nicht ein rigides Regelsystem, das den Mißbrauch verhindern sollte?
    Diese Regeln zeugen zugleich davon, daß bereits im Mittelalter ein großes Problembewußtsein über die Gefahren der Tortur existierte. Daß man mit ungezügelter Gewalt fast jeden zum Geständnis fast aller Verbrechen bringen könne, ist keine moderne Entdeckung. Das wußten bereits die Inquisitoren. Deshalb bezweifeln viele Historiker, daß die Folter in der Praxis eine beherrschende Stellung eingenommen hat. Der Schluß von der prinzipiellen Zulässigkeit auf die geübte Prozeßpraxis ist jedenfalls unzulässig, wie die überlieferten Prozeßakten zeigen. Die unstreitigen Erfolge der Inquisition beruhten weniger auf der unvergleichlichen Grausamkeit ihres Vorgehens als auf dem Einsatz moderner «Machttechniken» (Given). Hierzu gehörten vor allem die Nutzung des Gefängnisses, der Aufbau eines komplexen Archiv- und Registerwesens sowie ihre flexible Handhabung von Sanktionen. Das Gefängnis stellte für die Inquisitoren nicht allein ein Strafinstrument dar; sie benutzten es zugleich als ein wichtiges Druckmittel zur Erlangung von Geständnissen jenseits des direkten physischen Zwangs. Schon kurzzeitige Haft im dunklen Inquisitionsverlies machte widerstrebende Angeklagte gefügig. Durch eine wohldosierte Mischung aus Abschirmung von der Außenwelt und gezielter Desinformation konnte der Widerstandswille des Gefangenen gebrochen werden.
    Daneben gehörte das Sammeln und Systematisieren von Informationen zu den wichtigsten Herrschaftstechniken der Ketzerverfolger, und nicht umsonst sind ihre Archive und Register ebenso zum Ziel feindlicher Anschläge geworden wie sie selbst.Mit ihrer Hilfe waren sie in der Lage, die Namen von früheren Verdächtigen aufzufinden bzw. nachzuforschen, ob ein Verdächtiger schon einmal vorgeladen oder bestraft worden war. Sie konnten Widersprüche innerhalb der Aussagen eines Verdächtigen suchen und derartige Aussagen nutzen, um Verschleierungsversuche in den Aussagen von anderen zu entlarven. Lag der konkrete Ansatzpunkt für die Informationssammlung so bei einzelnen Verdächtigen, ergab sich durch ihre Vernetzung ein kohärentes Profil ganzer Ketzergemeinden. Langfristig entstand sogar ein Kompendium häretischer Dogmatik und Praktik insgesamt. Die «Datenspeicher der Inquisition» (Scharff) waren zukunftsweisend; niemals zuvor waren derart systematisch Informationen verschriftlicht und gesammelt worden. Dadurch entstanden aber zugleich neue Probleme. Wie sollten etwa die Inquisitoren der Überfülle von Informationen Herr werden und das Wichtige vom Unwichtigen trennen? Ein Ergebnis bildeten die standardisierten Frageschemata, mit deren Hilfe eine große Masse von Befragungen schnell hintereinander bewältigt werden konnten – immerhin verhörte allein die Inquisition von Toulouse Mitte der 1240er Jahre Tausende von Personen. Ob es den Inquisitoren freilich damit gelang, die gegnerischen Lehren und Praktiken angemessen zu erfassen, oder ob sie nicht vielfach eher ihre eigenen Vorurteile reproduzierten, ist strittig.
    Mittels Fangfragen oder mit dem Hinweis auf innere oder äußere Widersprüche ihrer Aussagen gelang es den Inquisitoren, die Häftlinge zu Geständnis, Kooperation oder gar Kollaboration zu bewegen. Dabei hing das Schicksal des Häftlings nicht zuletzt von der persönlichen Einstellung des

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