Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Edikt des Glaubens. Dabei verzichtete man auf eine Gnadenfrist und forderte alle zu Denunziationen auf – ein Vorgehen, das sich vielerorts als nur zu erfolgreich erwies. Trotz des Einsatzes von Spitzeln kamen die meisten Bezichtigungen aus dem sozialen Umfeld der Verdächtigen und hatten ihre Quelle in alltäglichen Nachbarschaftskonflikten und Streitigkeiten. Viele Selbstbezichtigungen waren als Versuche zu verstehen, den Denunziationen anderer zuvorzukommen. Aber nicht überall hatte die Inquisition so Erfolg. In manch abgelegenen Gebieten siegte die Solidarität der Eingesessenen, die herbeireisenden Untersuchungsbeamten stießen auf eine Mauer des Schweigens.
Falsche Anklagen wurden durch die Eigenheiten des Inquisitionsverfahrens begünstigt. Denunzianten und Zeugen wurden durch Geheimhaltungsvorschriften so gut geschützt wie in keinem anderen Gerichtsverfahren. Ihre Namen wurden dem Beschuldigten nicht mitgeteilt. Man wollte sie vor Racheakten schützen und ihre Aussagebereitschaft fördern. Überhaupt wurde die Geheimhaltung schnell zu einem leitenden Prinzip der Inquisition, das die Legendenbildung über ihre finsteren Machenschaften begünstigte. Eine zentrale Rolle dabei spielte das Gefängnis. Vor der Verhaftung eines Verdächtigen hatten eingehende Untersuchungen und Konsultationen zu erfolgen. Das bedeutete aber gleichzeitig, daß gegen einen Verhafteten schwerwiegende Verdachtsmomente existierten und daß er von Anfang an als schuldig galt. Bei seiner Gefangennahme wurdeein Inventar seines Besitzes angelegt, als Basis für die Bezahlung der Verfahrenskosten ebensogut wie als Grundlage für eventuelle spätere Strafzahlungen und Konfiskationen. In der Regel wurden die Gefangenen in eigenen Kerkern der Inquisition untergebracht. Schauermärchen über deren Zustände wurden schon von den Zeitgenossen verbreitet und von späteren Generationen bereitwillig ausgeschmückt. Nun war ein Aufenthalt dort sicherlich alles andere als angenehm, bisweilen sogar aufgrund der Haftbedingungen tödlich; im Vergleich zu bischöflichen, königlichen oder städtischen Gefängnissen aber war die Inquisitionshaft erträglicher. Man bemühte sich um Sauberkeit, hinreichende Verköstigung (auf eigene Kosten) und Beheizung. Beschwerden wurde nachgegangen. So konnte es vorkommen, daß ein Geistlicher in bischöflichem Gewahrsam sich einzig deswegen als Judenfreund ausgab, um sich ins Inquisitionsgefängnis überstellen zu lassen.
Vielleicht schlimmer als die physischen Qualen war die psychische Belastung. Eine Besonderheit des Inquisitionsverfahrens bestand darin, den Verhafteten die Gründe zu verheimlichen. So saßen sie Tage, Wochen und manchmal Monate ohne konkrete Anklage ein. Stattdessen ermahnte das Tribunal den Angeklagten dreimal sehr allgemein, sein Gewissen zu erforschen, die Wahrheit zu sagen und der Gnade der Richter zu vertrauen. Ob schuldig oder nicht, wurde die Widerstandskraft des Verhafteten so entscheidend geschwächt. Wurde die Anklage schließlich präsentiert, dann mußte sich der Verhaftete direkt dazu äußern. Oft ergaben sich Sprachprobleme, etwa in Katalonien. In welchem Idiom auch immer die Aussagen getätigt worden waren, niedergeschrieben wurden sie in der Regel in kastilischer Sprache. In der dem Beschuldigten überreichten Klageschrift waren die Namen der Zeugen und alle auf sie hindeutenden Indizien getilgt. Dabei stellte die Anfechtung der Zeugenaussagen, etwa das Geltendmachen persönlicher Feindschaften, eine der erfolgreichsten Verteidigungsstrategien dar. Nur mußten die Namen der Zeugen eben zunächst erraten werden, und manch Angeklagter verschwendete seine Energien darauf, die Glaubwürdigkeit bestimmter Personen zu demontieren, die sich später garnicht als Hauptbelastungszeugen entpuppten. Prinzipiell war bei einem Verfahren vor der Inquisition die Unterstützung durch einen Verteidiger möglich. Herrschte ursprünglich das Prinzip der freien Anwaltswahl, so konnten später lediglich speziell vom Tribunal nominierte Verteidiger ausgewählt werden. Deren Qualität und Handlungsspielräume sind umstritten. Aber allein die Existenz von Verteidigern hebt das Verfahren der Inquisition – wie in anderen Punkten – positiv von anderen Strafgerichtshöfen der Zeit ab.
Die Tortur als Mittel zur Erzwingung eines Geständnisses gehörte ebenso zum Prozeßinstrumentarium der Spanischen Inquisition wie bei ihren mittelalterlichen Vorläufern und bei weltlichen Gerichten überhaupt. Die
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