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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Foltermethoden – vor allem das «Aufziehen» des Verdächtigen, dessen Füße mit Gewichten beschwert waren, mit einem Seilzug und die Streckbank – glichen sich ebenso wie die sehr allgemein formulierten Regeln ihrer Anwendung. Ausgeübt wurde die Folter von einem weltlichen Scharfrichter in Anwesenheit der Inquisitoren, eines bischöflichen Vertreters, eines protokollierenden Sekretärs und meist eines Arztes für Notfälle. Dauerhafte Schäden an Leib und Leben des Gefolterten sollten vermieden werden. Während die Folter in den Anfängen wenig praktiziert worden zu sein scheint, wurde sie nach 1530 eher eingesetzt, um der «Untergrundtätigkeit» möglicher Judaisierer auf die Schliche zu kommen. Immer noch kam sie aber wohl lediglich bei einem Zehntel aller Fälle zur Anwendung. Ausweislich der Protokolle stellte die Tortur für die Inquisitoren keine automatische Erfolgsgarantie dar. Bei weitem nicht alle Gefolterten gestanden; und umgekehrt waren nicht alle schwer Bestraften zuvor gefoltert worden.
    Urteile und Autodafé: Das Inquisitionsverfahren konnte zügig abgeschlossen werden, sich manchmal aber auch jahrelang hinziehen. Es stellte jedenfalls keinen zusammenhängenden Prozeß im heutigen Sinn dar, sondern eine Kette einzelner Aktionen, d.h. Zeugenbefragungen, Vernehmungen und Anhörungen. Das Urteil wurde von den Inquisitoren zusammen mit einem Vertreter des Bischofs und weiteren Konsultatoren getroffen.Als beratende Experten wurden häufig Rechtsgelehrte von außen hinzugezogen. Stimmten die Inquisitoren mit dem Vertreter des Bischofs überein, dann konnten die Konsultatoren aber überstimmt werden. Falls sie divergierten, mußte der Fall seit 1561 vor die
Suprema
in Madrid gebracht werden. Das Spektrum möglicher Urteile gleicht demjenigen der mittelalterlichen Inquisition. Dabei war die Möglichkeit eines Freispruches oder der Entbindung von der Instanz gegeben, doch kam dies einem Eingeständnis der Inquisition nahe, sich bei der Verhaftung geirrt zu haben. Deswegen wurde in Fällen, wo keine Überführung gelang, eher eine Prozeßunterbrechung gewählt; dabei blieb ein Angeklagter unter Verdacht, das Verfahren konnte jederzeit wieder aufgenommen werden.
    Die Hauptstrafen der Spanischen Inquisition können in drei Gruppen eingeteilt werden: Abschwörung (
abjuratio
), Wiederversöhnung (
reconciliatio
) und die Überstellung an den weltlichen Arm der Justiz (
relaxatio ad brachium saeculare
). Die insgesamt häufigste und mildeste Art der Sanktion war die
abjuratio
, die je nach Schwere des Vergehens
de levi
, d.h. lediglich vor dem Tribunal im Audienzsaal, oder aber
de vehementi
, d.h. öffentlich vollzogen wurde. Dabei hatten die Betroffenen ihren Irrtümern abzuschwören und ein Treuebekenntnis zur Kirche abzulegen. Neben geistlichen Bußen kamen für sie aber noch eine ganze Reihe teils gravierender Nebenstrafen in Betracht. Attraktiv für die Inquisition waren Geldbußen, die ihr selbst zugute kamen. Das Tragen des Büßergewandes (
sanbenito
, von
saccus benedictus
, geweihter Sack/Kittel) mit dem roten Andreaskreuz war eine weitere Strafmöglichkeit; es konnte für eine bestimmte Zeit oder aber lebenslang verordnet werden, mit der Möglichkeit der Begnadigung oder Ablösung durch eine Geldzahlung. Auch Verbannungen konnten die
abjuratio
ergänzen.
    Härtere Sanktionen zog in der Regel – trotz des milde klingenden Begriffs – die Rekonziliation nach sich. Sie betraf Personen, die einer offenkundigen Ketzerei schuldig waren, aber Reue zeigten und um Gnade baten. Neben dem feierlichen Abschwören der Häresie mußten sie ihr Abweichen von der Orthodoxie etwa mit öffentlicher Prügelstrafe, Gefängnis oder garmit der Überstellung zum Galeerendienst sühnen, verbunden häufig mit Konfiskation von Gütern. Am gefürchtetsten war zweifellos der Galeerendienst, wobei die Strafe meist auf Zeit angelegt war und durchaus reale Rückkehrchancen barg. Sehr große Differenzierungsmöglichkeiten bot die Haft:
Carcer perpetuus
bedeutete gewöhnlich eine dreijährige Gefängnisstrafe, wer zu
carcer perpetuus irremissibile
verurteilt wurde, war in der Regel länger eingesperrt, wobei die Entscheidung über die Entlassung wiederum vom Urteil der Inquisition über Vergehen und «Führung» des Häftlings abhing – eine der vielen modern anmutenden Aspekte der Inquisition. Mit der Hinrichtung schließlich waren – wie bereits im Mittelalter – vor allem zwei Gruppen von Angeklagten bedroht, nämlich die

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