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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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weinen.
    Wusstest du, dass deine Eltern umkamen? Hast du es gespürt, als sie starben?
    Die Tränen liefen immer zahlreicher. Ich wollte es nicht, kam jedoch nicht dagegen an.
    Ich dachte an all die schrecklichen Ereignisse, bis ich so heftig weinte, dass ich zwischen den einzelnen Schluchzern nach Luft schnappen musste. Ich dachte daran, dass meine Großeltern verhungert waren. Wie ihre abgemagerten Körper dem Verbrennungsofen zum Fraß vorgeworfen wurden, weil Menschen, die sie nicht einmal kannten, sie hassten. Ich dachte an die Kinder, die in diesem Haus gelebt hatten, die verbrannt und in Stücke gerissen worden waren, weil ein Pilot keine Skrupel hatte, auf einen Knopf zu drücken. Ich dachte daran, wie meinem Großvater die Familie genommen wurde, und dass mein Dad deshalb mit dem Gefühl aufwuchs, keinen Vater zu haben. Und dass ich jetzt unter einem akuten Stresssyndrom und Alpträumen litt, allein in einem zerfallenen Haus hockte und heiße, alberne Tränen auf mein Hemd weinte. Alles wegen eines siebzig Jahre alten Schmerzes, der irgendwie an mich weitergegeben worden war wie ein vergiftetes Erbe. Ich dachte an die Monster, die ich nicht bekämpfen konnte, weil sie alle tot waren, dass ich sie weder töten noch auf andere Weise zu bestrafen vermochte. Mein Großvater hatte zumindest zur Armee gehen und gegen sie kämpfen können. Aber ich?
    Als die Tränen endlich versiegten, dröhnte mir der Kopf. Ich schloss die Augen und presste die Knöchel darauf, damit der Schmerz nachließ, und wenn es nur für einen Moment war. Als ich die Hände schließlich fortnahm und die Augen wieder öffnete, war eine seltsame Veränderung mit dem Zimmer vorgegangen. Ein Sonnenstrahl fiel durchs Fenster herein. Ich stand auf, ging zu der gesprungenen Scheibe und sah, dass es regnete und gleichzeitig die Sonne schien – eine meteorologische Besonderheit, für die jeder einen anderen Namen zu haben scheint. Meine Mutter nennt es – ohne Scherz – »die Tränen von Waisenkindern«. Dann fiel mir ein, was Rick immer dazu gesagt hatte: »Der Teufel verprügelt seine Frau!« Ich lachte und fühlte mich ein bisschen besser.
    In dem Streifen der rasch verblassenden Sonnenstrahlen entdeckte ich etwas, das ich zuvor übersehen hatte. Es war ein Koffer, der unter einem zweiten Bett hervorlugte.
    Ein großer alter Schiffskoffer mit einem riesigen, verrosteten Vorhängeschloss. Da muss etwas drin sein, dachte ich sofort. Niemand verschließt einen leeren Koffer.
Öffne mich!,
schrie er mir förmlich entgegen.
Ich bin voller Geheimnisse!
    Ich packte ihn an den Seiten und zog. Es tat sich nichts. Ich zog noch einmal fester, aber er bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle. War er so schwer, oder hatten Generationen von Feuchtigkeit und Staub ihn an den Boden geklebt? Ich stand auf und trat ein paarmal davor. Dann konnte ich ihn Stück für Stück herausziehen, indem ich ihn abwechselnd an beiden Seiten packte. So, wie man einen Herd oder einen Kühlschrank von der Stelle bewegt, zerrte ich ihn unter dem Bett hervor, und er hinterließ tiefe Kratzer auf dem Boden. Ich riss an dem Schloss, aber trotz einer dicken Rostschicht hielt es. Irgendwo in diesem Zimmer war vermutlich der Schlüssel, aber ich wollte keine Zeit auf die Suche verschwenden. Außerdem war das Schloss so verrostet, dass ich nicht sicher war, ob der Schlüssel überhaupt noch funktionieren würde. Mir blieb also nur die Möglichkeit, den Koffer aufzubrechen.
    Als ich mich nach einem geeigneten Hilfsmittel umschaute, entdeckte ich in einem der anderen Zimmer einen kaputten Stuhl. Ich hebelte ein Bein ab und stellte mich wie ein Scharfrichter über den Koffer. Dann schlug ich so fest auf das Schloss ein, wie ich nur konnte. Wieder und wieder, bis das Stuhlbein schließlich brach und ich nur noch einen zersplitterten Stumpf in der Hand hielt. Ich sah mich in dem Zimmer nach etwas Stabilerem um und entdeckte einen losen Gitterstab am Bettrahmen. Nach ein paar Tritten fiel er klappernd zu Boden. Ich schob ihn durch das Vorhängeschloss und bog das andere Ende zurück. Der Koffer ächzte ein bisschen, sonst passierte nichts.
    Es war zum Wahnsinnigwerden. Mit aller Kraft trat ich gegen den Koffer und riss an der Stange. Meine Halsschlagader trat vor lauter Anstrengung vor, und ich schrie:
»Geh auf, verdammt noch mal, du dämlicher Koffer!«
Endlich hatte meine Wut ein Ziel gefunden. Wenn ich meinen toten Großvater nicht dazu bringen konnte, seine Geheimnisse

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