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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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ihm so gern sagen, wollte ihm alles erzählen. Wenn er mich doch nur verstehen und mir einen väterlichen Rat hätte geben können! Einen Moment lang wünschte ich, alles wäre wieder so wie vor unserer Reise – bevor ich den Brief von Miss Peregrine fand, als ich noch ein leicht durchgeknalltes Vorstadtkind reicher Eltern war. Stattdessen saß ich neben meinem Dad und redete über alles und nichts, versuchte mich daran zu erinnern, wie mein Leben in dieser unfassbar weit entfernten Ära gewesen war, die doch nur vier Wochen zurücklag – aber ich konnte es nicht. Schließlich gingen uns die banalen Gesprächsthemen aus, und ich zog mich mit einer Entschuldigung nach oben zurück, um allein zu sein.

[home]
    10. Kapitel
    D ienstagnacht hatte sich das meiste von dem, was ich über mich zu wissen glaubte, als falsch entpuppt. Schon bald würden Dad und ich unsere Sachen packen und abreisen. Mir blieben also nur noch wenige Tage, um mich zu entscheiden. Bleiben oder gehen – keine der Möglichkeiten schien mir die richtige zu sein. Ich konnte nicht einfach alles Vertraute hinter mir zurücklassen. Aber wie sollte ich nach allem, was ich erfahren hatte, wieder nach Hause zurückkehren?
    Das Schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber reden konnte. Dad kam nicht in Frage. Emma fand ständig leidenschaftliche Argumente, warum ich bleiben sollte – und keines berücksichtigte das Leben, das ich dafür aufgeben musste (wie armselig es auch sein mochte), oder wie sich das plötzliche, unerklärliche Verschwinden ihres einzigen Kindes auf meine Eltern auswirken würde. Und es berücksichtigte auch nicht das ungute Gefühl, in der Zeitschleife eingesperrt zu sein, das selbst Emma mir eingestanden hatte. Sie sagte immer nur: »Wenn du hier bist, wird alles besser sein.«
    Miss Peregrine war noch weniger eine Hilfe. Ihre einzige Antwort bestand darin, dass sie mir eine solche Entscheidung nicht abnehmen könne. Dabei wollte ich doch nur mit ihr darüber sprechen. Natürlich wünschte sie, dass ich blieb. Meine Anwesenheit würde die Sicherheit aller in der Zeitschleife erhöhen. Ich fand jedoch keinen großen Gefallen an der Idee, mein Leben als Wachhund zu verbringen. (Ich vermutete inzwischen, dass es meinem Großvater ähnlich ergangen war und dass er sich deshalb nach dem Krieg geweigert hatte, zurückzukehren.)
    Hierzubleiben würde auch bedeuten, dass ich weder die Highschool beenden noch aufs College gehen oder überhaupt irgendwelche Dinge tun würde, mit denen sich Erwachsene üblicherweise beschäftigen. Andererseits durfte ich nicht vergessen, dass ich nicht so war wie diese Erwachsenen. Und wenn die Hollows mich jagten, würde ein Leben außerhalb der Zeitschleife vermutlich eh nicht lange währen. Ich würde die restlichen Tage meines Lebens in Angst verbringen, ständig über die Schulter blicken, gequält von Alpträumen, und darauf warten, dass sie früher oder später kamen, um mich zu verspeisen. Das klang wesentlich schlimmer, als das College zu verpassen.
    Aber gab es denn keine dritte Möglichkeit? Konnte ich nicht sein wie Grandpa Portman, der es fünfzig Jahre lang geschafft hatte, außerhalb der Zeitschleife zu leben und sich der Hollows zu erwehren? In dem Moment meldete sich die selbstironische Stimme in mir zu Wort.
    Er war militärisch ausgebildet, du Dummkopf. Ein eiskalter, knallharter Typ. Er hatte einen begehbaren Kleiderschrank voller abgesägter Schrotflinten. Im Vergleich zu dir war dieser Mann Rambo.
    Ich könnte mich zu einem Kurs auf dem Schießübungsplatz anmelden, erwiderte eine optimistischere Stimme. Trainieren.
    Machst du Witze? Du konntest dich ja nicht einmal auf der Highschool selbst verteidigen. Du musstest diesen Proleten bestechen, dein Leibwächter zu sein. Und du würdest dir in die Hose machen, wenn du eine echte Waffe auf jemanden richten müsstest.
    Nein, würde ich nicht.
    Du bist schwach. Du bist ein Verlierer. Deshalb hat er dir nie gesagt, wer du wirklich bist. Er wusste, dass du nicht damit umgehen kannst.
    Halt endlich die Klappe.
    Immer wieder ging es so. Bleiben oder gehen. Diese Gedanken verfolgten mich die ganze Zeit, ohne dass ich zu einer Entscheidung fand. Währenddessen ging Dad mit seinem Buch zunehmend die Luft aus. Je weniger er daran arbeitete, desto mutloser wurde er, und je mutloser er wurde, desto mehr Zeit verbrachte er an der Theke. Ich hatte ihn noch nie so viel trinken sehen – jeden Abend sechs oder sieben Bier –, und ich mochte

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