Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Seeleute.«
    Marguerite seufzte, aber Damienne hatte recht. Das lindgrüne
    Kleid war mit der Erinnerung an den Hof des Königs verbunden. Es wäre so etwas wie eine Entweihung gewesen, es in diesem bescheidenen Haus zu tragen. Sie nahm das blaue.
    Cartier traf am Abend als Erster ein. Marguerite hatte ein gespaltenes Verhältnis zu ihm. Einerseits bewunderte sie den großen Entdecker, andererseits war nicht zu übersehen, daß sich Cartier mit ihrem Onkel nicht sonderlich gut verstand, und natürlich mußte Marguerite zunächst grundsätzlich auf der Seite ihres Onkels stehen. Trotzdem begrüßte sie ihn mit aller gebotenen Höflichkeit.
    Cartier war zwar ein Abenteurer und Entdecker, aber doch aufmerksam genug, ihr ein Kompliment für ihr Aussehen zu machen. Marguerite versuchte, dies mit der nötigen Gelassenheit hinzunehmen, aber es gelang ihr nicht und sie lächelte dankbar.
    Kurz nach Cartier traf ein Mann ein, den sie fast noch mehr bewunderte als den Entdecker. Es war der alte Jean Alfonse de Xaintonge, ein Kapitän wie aus einem Bilderbuch, mit wettergegerbtem Gesicht, strahlenden grauen Augen und schlohweißem Haar. Selbst Cartier hatte vor diesem erfahrenen Seemann Respekt. Jean de Xaintonge war die Bescheidenheit in Person, geradeheraus und offen, aber zurückhaltend. Nie widersprach er de Roberval, wenn ein anderer zugegen war, aber unter vier Augen hielt er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Er galt unter seinesgleichen schlicht als der beste Seemann Frankreichs und war einer der wenigen Männer, deren Ratschläge de Roberval annahm. De Xaintonge würde das Flaggschiff befehligen. De Roberval war zwar der offizielle Kommandant der Flotte, aber er war schließlich kein Seemann.
    Zusammen mit Kapitän de Xaintonge traf Albert de Lacq ein, ein erfahrener Seemann aus Navarra. De Lacq hatte den Ruf, zuverlässig, tüchtig und unbedingt loyal zu sein. De Roberval hatte ihn persönlich ausgewählt.
    Marguerite hatte sich auf einen Abend voller abenteuerlicher Seefahrer- und Entdeckergeschichten gefreut, wurde aber zunächst enttäuscht. Während des Essens - es gab Rehrücken - kam die Konversation nur stockend in Gang. Die Männer sprachen von Vorräten, die noch zu besorgen waren, vom Zustand der Schiffe, den angezogenen Preisen für gutes Tauwerk und desgleichen mehr. Vor allem ihr Onkel war schweigsam, und Marguerite spürte, daß es einige ernste Probleme geben mußte, die ihm auf der Seele lasteten. Es war jedoch unmöglich, ihn darauf anzusprechen, schon gar nicht in Gesellschaft. Also richtete sie das Wort an Jacques Cartier.
    »Monsieur Cartier«, begann sie, »Ihr wart nun schon zweimal in der Neuen Welt. Wie ist es dort?«
    »Mademoiselle«, lachte Cartier, »diese Welt ist so riesig, und es gibt so viel zu berichten, daß ein Abend wie dieser nicht ausreichen würde, davon zu erzählen. Was genau möchtet Ihr wissen?«
    Marguerite kam sich vor wie ein kleines Kind, das eine sehr dumme Frage gestellt hatte. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Ihr seid doch dort auch den Eingeborenen begegnet. Erzählt mir doch von den Menschen dort!«
    »Es sind Wilde«, begann Cartier, »unglückliche Heiden, die noch nie von Jesus Christus gehört haben. Sie kennen nichts außer ihren Wäldern und Flüssen und leben in schlichten Hütten. Städte wie dieses herrliche Saint-Malo sind ihnen gänzlich unbekannt.«
    »Ich bin so neugierig, schließlich sind sie die Bewohner des neuen Frankreich. Erzählt mir mehr von ihnen!«
    »Sie leben in Stämmen. Am Saint-Laurent-Fluß, der unser Ziel sein wird, leben mindestens zwei Stämme. Zunächst trafen wir einige Micmac, bei denen wir Vorräte eintauschen konnten. Weiter flußaufwärts dann die Irokesen, die dort eine Siedlung namens Stadacona angelegt haben. Ihr Häuptling heißt Donnacona, zugegebenermaßen eine beeindruckende, wenn auch nach unseren Maßstäben ungebildete Person.«
    »Wie meint Ihr das, Monsieur?«
    »Wir haben dort auf einem Berg zu Ehren Jesu ein Kreuz aufgerichtet, aber sie wußten nichts von Gott und wollten sogar verhindern, daß wir das Kruzifix aufstellten. Ich mußte Donnacona sagen, daß es nur eine Landmarkierung ist, um ihn zu beruhigen.«
    »Dann habt Ihr ihn angelogen?«, fragte Marguerite, die dafür prompt einen tadelnden Blick ihres Onkels auffing.
    »Nun, Mademoiselle, ich hatte weniger als hundert Mann auf zwei Schiffen und befand mich inmitten eines Landes, das vielleicht von Abertausenden Wilden bewohnt wird. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher