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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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wollte um jeden Preis Streit vermeiden.«
    »Aber wie hab Ihr Euch überhaupt verständlich gemacht?«
    »Das war schwer genug, Mademoiselle. Deshalb haben wir bei unserer Abreise zwei der Söhne des Häuptlings mitgenommen. Sie sollten uns bei zukünftigen Reisen als Dolmetscher dienen.«
    »Und ihr Vater hat seine Einwilligung dazu gegeben?«
    »Ehrlich gesagt, haben wir ihn nicht gefragt, Mademoiselle. Wenn Ihr so wollt, war es eine Entführung.«
    »Mein Gott, was müssen diese Menschen von Euch gedacht haben!«
    »Nun, ich weiß nicht, wie diese Wilden denken, Mademoiselle, ich weiß aber, daß unsere Entscheidung dem Wohle Frankreichs diente. Manchmal muß man für höhere Ziele auch schwierige Entscheidungen treffen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß wir Domagaya und Taignoagny auf unserer Reise anständig behandelt haben, und wir haben sie ja schon ein Jahr später wohlbehalten zurückgebracht.«
    »Aber war der Häuptling nicht furchtbar wütend auf Euch, Monsieur Cartier?«
    »Der Empfang bei unserer zweiten Reise war in der Tat wesentlich kühler, aber durch die Dolmetscher haben wir viel mehr über dieses Land gelernt als bei der ersten Fahrt. Seht, zunächst habe ich angenommen, der Fluß Saint-Laurent sei nur eine Bucht! Ich konnte mir nicht vorstellen, daß eine Flußmündung so groß und weit ins Landesinnere hineinreichen würde. Selbst die Eingeborenen wissen nicht, wo der Fluß entspringt, aber Häuptling Donnacona berichtete mir von großen Königreichen weit stromaufwärts. Ich selbst habe die riesigen Wasserfälle gesehen, hinter denen diese Länder beginnen sollen. Es ist möglich, daß uns dieser Fluß direkt bis nach China führt!«
    Marguerite verstummte für einen Moment. Der Gedanke, daß vom neuen Frankreich ein Landweg in das geheimnisvolle China führen könnte, überwältigte sie. Es gab märchenhafte Geschichten über dieses Land, in dem es fast sicher Drachen gab und aus dem die unbezahlbare Seide nach Europa gelangte.
    »Glaubt Ihr«, mischte sich Kapitän de Xaintonge in die Unterhaltung ein, »daß uns die Eingeborenen willkommen heißen, nach all dem, was zuletzt passiert ist?«
    »Sie sollten nicht die ganze Wahrheit erfahren, das wäre unklug«, meinte Cartier.
    »Was ist denn geschehen?«
    »Wir haben Donnacona und einige seiner Stammesangehörigen nach Frankreich gebracht - nein, Mademoiselle, nicht entführt. Leider waren die Wilden der langen Seereise und unserem Klima offenbar nicht gewachsen. Sie sind fast alle gestorben, auch Donnacona.«
    »Ein sehr bedauerlicher Umstand, das muß ich sagen«, warf de Roberval mürrisch ein. »Wir hätten einige Übersetzer und eingeborene Führer gut gebrauchen können. Aber ich gebe Monsieur Cartier recht, ihr Stamm sollte auf keinen Fall von diesem Unglück erfahren.« Er erhob sich. »Und jetzt entschuldige uns, mein Kind. Wir Männer haben noch einiges zu besprechen.«
    Wie gerne wäre Marguerite noch geblieben, aber selbstverständlich zog sie sich zurück.
    Kaum war sie oben in ihrer Kammer, hörte sie lautes Gelächter aus dem Kaminzimmer. Wahrscheinlich erzählten die Männer sich jetzt jene spannenden und rauhen Seemannsgeschichten, auf die Marguerite sich den ganzen Abend vergeblich gefreut hatte.
    In den folgenden Tagen war der Onkel übellaunig und kaum ansprechbar. Er war viel im Kontor, und zu Hause war er bis tief in die Nacht auf und verfaßte lange Briefe: einige an den König, andere an seine Verwandtschaft, die er um Unterstützung seines Vorhabens bat.
    Unterdessen trafen unten im Hafen die ersten Sträflinge ein. Als es zum ersten Mal seit Langem nicht regnete, fragte Marguerite ihren Onkel, ob sie zum Hafen hinuntergehen dürfe, und zu ihrer Überraschung hatte er nichts dagegen. »Das sind die Menschen, mit denen wir eine neue Welt aufbauen werden. Es kann also nicht schaden, wenn du sie kennenlernst. Allerdings wendest du dich bitte an Colonel de Villeforte, damit er dir einen seiner Offiziere zur Seite stellt. Ein junges Mädchen hat unten am Hafen alleine nichts verloren. Schon gar nicht, wenn der Kai voller Sträflinge ist.«
    »Damienne wird mich begleiten.«
    De Roberval erlaubte sich ein Lächeln. »Ich bin sicher, daß die gute Damienne fast jeden Gegner in die Flucht schlagen könnte. Dennoch ist mir wohler, wenn du unter dem Schutz eines Offiziers stehst. Es steht dir aber frei, auch zu Hause zu bleiben, wenn dir das nicht recht ist.«
    Natürlich wollte Marguerite nicht zu Hause bleiben, also
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