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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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Mademoiselle?«
    Es gab nichts, woran Marguerite so ungern zurückdachte wie an ihr Mißgeschick auf dem Markt. Daß dieser Tölpel sie auch noch darauf ansprach!
    »Ach, Ihr wart das«, sagte sie. »Ich habe Euch ohne die Hühner nicht gleich wiedererkannt.«
    Damienne grinste und der Offizier lachte. Zugegeben, er hatte ein entwaffnendes Lachen.
    Auf dem Weg hinunter zum Hafen gab sich Marguerite alle Mühe, den Leutnant wie Luft zu behandeln. Sie unterhielt sich mit Damienne über das Essen vom Vortag und die Planung der Mahlzeit für den kommenden Tag. Zu ihrem Unglück ließ sich Damienne nicht darauf ein, sondern antwortete nur einsilbig. So ergab sich bald schon eine Gelegenheit für Leutnant Fourraine, sie anzusprechen.
    »Nun, Mademoiselle, wie findet Ihr das Wetter?«
    Marguerite blieb stehen. Dieser ungebildete Trampel wollte doch nicht ernsthaft mit ihr über das Wetter reden?
    »Mir scheint, das ist nicht schwer. Ich trete vor die Tür - und das Wetter ist da!«, antwortete sie schnippisch.
    »Verstehe«, lachte der Soldat. Entweder machte ihm der Spott in Marguerites Antwort nichts aus oder er ignorierte ihn einfach. »Und wenn Ihr es gefunden habt, wie beurteilt Ihr es dann?«
    »Ich versuche, ihm möglichst ohne Vorurteile zu begegnen, und nehme es, wie es kommt. Ich glaube auch nicht, daß das Wetter sich nach meinem Urteil richtet.«
    Sie gingen weiter die graue Gasse hinunter. Die große Stadtmauer mit dem Tor zum Hafen lag vor ihnen.
    »Das wäre aber eine hübsche Idee, Mademoiselle. Wenn ich dieses Wetter verurteilen könnte, würde ich es ins Gefängnis stecken.
    Seit Wochen nichts als Regen! Wir müssen dankbar sein, daß er uns wenigstens im Moment verschont.«
    »Hoffentlich geht Ihr bei dem dauernden Regen nicht ein, Herr Leutnant.«
    »Ich gebe mir alle Mühe, und es kommt mir sogar so vor, als sei ich in letzter Zeit sogar gewachsen.«
    »Ihr seid noch im Wachstum? Seid Ihr dann nicht noch ein wenig zu jung für das Militär? Oder seid Ihr schon in Soldatenstiefeln zur Welt gekommen?«, fragte Marguerite spitz.
    »Ganz im Gegenteil, Mademoiselle. Mein Vater war Tuchhändler, und nach seinem Tod hätte ich sein Geschäft übernehmen sollen - aber immer nur rechnen und handeln, das ist kein Leben für mich. Also habe ich mir von meinem Erbe das Offizierspatent gekauft und bin jetzt ein Leutnant des Königs.«
    »Dann steht Ihr wohl mit ehrbaren Berufen ebenso auf Kriegsfuß wie mit dem Wetter?«
    »Wißt Ihr«, fragte der Leutnant, und er schien Marguerites spitze Bemerkung erneut überhört zu haben, »was mich an diesem grauen Himmel am meisten stört?«
    »Nein, aber ich bin sicher, ich werde es gleich erfahren.«
    »Bei diesem trüben Grau-in-Grau kommt Eure Schönheit nicht vollendet zur Geltung, Mademoiselle.«
    Das war entweder das Dümmste oder das Schönste, was man ihr je gesagt hatte. Ihr Mund klappte kurz auf und dann wieder zu. Eine schlagfertige Antwort wollte ihr nicht einfallen. Sie hörte, wie Damienne einige Schritte hinter ihr leise kicherte.
    Marguerite blieb stehen. Sie hatten während des Gesprächs das Tor zum Hafen durchschritten und nun fiel ihr Blick auf eine lange Reihe von Sträflingen unten am Kai. Sie waren abgemagert und zerlumpt, ein trauriger Anblick. Fast alle waren in Ketten. Soldaten bewachten sie. Unter einem notdürftigen Zeltdach hatte einer der Seeoffiziere einen Tisch aufgeschlagen und notierte die Namen, bevor die Gefangenen an Bord der Schiffe gebracht wurden.
    Marguerite betrachtete das Elend und fühlte einen Stich im Herzen, aber das wollte sie nicht zeigen. Sie sagte: »Ich weiß nicht, was trauriger ist, Herr Leutnant, der Anblick dieser armen Gestalten oder Eure trüben Komplimente. Jedenfalls ertrage ich keines von beidem länger. Wir gehen nach Hause.«
    »Ich begleite die Damen gerne dorthin.«
    »Danke, Monsieur, aber das ist wirklich nicht nötig. Wir kennen den Weg. Auf Wiedersehen, Herr Leutnant. Komm, Damienne!« Und damit drehte sich Marguerite um, schnappte sich Damiennes Arm und zog die verdutzte Normannin hinter sich her.
    »Auf Wiedersehen, Mademoiselle!«, rief Leutnant Fourraine und sah den beiden schmunzelnd nach.
    Mitte April waren noch immer nicht alle Probleme beseitigt, doch es sah so aus, als könne die Flotte bald in See stechen. Geplant war, daß sie zunächst nach Honfleur segeln sollte. Dort lagen drei weitere Schiffe vor Anker, die de Roberval mit den endlich eingetroffenen Geldern des Königs erworben hatte. Die
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