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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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eine Idee, wie du das deinem Onkel erklären könntest?«
    »Nein, Damienne«, sagte Marguerite kleinlaut.
    »Wir können nur hoffen, daß es nicht dazu kommt. Du darfst ihn nicht wiedersehen!«
    »Dann sterbe ich.«
    »Unsinn!«
    »Ich gehe ins Wasser, wenn ich nicht bei ihm sein darf!«
    »Das verbiete ich dir, Marguerite!«
    »Du kannst mir gar nichts verbieten. Warum verstehst du mich denn nicht? Warst du nie verliebt?«
    »Oh, doch, mein Kind. Doch wie du weißt, bin ich schon in jungen Jahren Witwe geworden. Es ist ebenso im Leben, es geht nicht immer so, wie du denkst. Das Schicksal hat oft anderes mit dir vor.«
    »Das Schicksal ist mir egal. Ich kann nicht ohne Henri leben!«
    »Du wirst dich noch wundern, was du alles kannst, meine Liebe!«
    »Ich werde ihn wiedersehen - jede Nacht!«
    »Jetzt sei nicht albern, Marguerite. Schau, du bist doch ein kluges Mädchen. Du weißt, daß es viel zu gefährlich ist. Was, wenn dein Onkel euch erwischt? Denk an den armen Buchhändler! Willst du etwa, daß es Henri genauso ergeht?«
    »Das wird er nicht wagen!«
    »Du Schaf - wer sollte ihn daran hindern? Hast du es immer noch nicht begriffen? Dein Onkel ist das Gesetz! Er kann jeden Tag jemanden aufhängen, wenn es ihm Spaß macht. Henri, dich, mich, alle!«
    »Dann darf er es eben nicht erfahren. Er kümmert sich doch sowieso nicht darum, was ich tue.«
    »Marguerite, was soll ich nur machen mit dir? Ich kenne dich nicht wieder!«
    Die beiden Frauen schwiegen. Sie spürten, daß sie sich im Kreis drehten. Sie hatten alles gesagt, was gesagt werden konnte - aber nichts hatte sich geändert.
    Damienne studierte Marguerites Miene. Es hatte sich doch etwas geändert. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das ihr am Rockzipfel hing; sie war eine entschlossene junge Frau, die tat, was sie wollte. Man konnte natürlich auch sagen, daß sie stur war wie ein Esel. Und leider sah es so aus, als wolle sie im Moment sehenden Auges in ihr Unglück rennen. Damienne seufzte. Sie sah ein, daß all ihre Mühen vergeblich gewesen waren. Sie hatte versucht, Henri und Marguerite auseinanderzubringen, aber es war ihr nicht gelungen. Sie hatte auf ganzer Linie versagt. Und seit der vergangenen Nacht war erst recht alles anders. Marguerite hatte den entscheidenden Schritt getan. Es gab kein Zurück mehr.
    »Du willst ihn also wirklich Wiedersehen.«
    »Und wenn es mein Leben kostet.«
    »Und wenn ich dich bitte, ihn nicht wieder zu treffen?«
    Marguerite schluckte. Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann sagte sie: »Dann muß ich dir diese Bitte abschlagen.«
    »Nun gut, dann geht es nicht anders. Dann werde ich in Zukunft die Kabinentür abschließen.«
    »Das wagst du nicht!«
    »Es tut mir leid, aber ich sehe keinen anderen Weg. Ich wundere mich, daß ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen bin.«
    »Ich klettere aus dem Fenster!«
    »Nur zu, die Fische freuen sich sicher über angenehme Gesellschaft.«
    »Damienne!«
    »»Marguerite!«
    Ihr Streit ging noch eine ganze Weile weiter. Marguerite drohte, bettelte, flehte, aber Damienne hatte ihre Entscheidung getroffen. Den ganzen Tag über ließ sie Marguerite nicht aus den Augen, und als die Schlafenszeit kam, da schloß sie unter dem Protest ihres Schützlings die Kabinentür ab, hängte sich den Schlüssel an einem Seidenband um den Hals und ging zu Bett.
    In dieser Nacht wartete Henri vergeblich im Frachtraum auf seine Liebste.
    Die Tage vergingen und die Anne, die Valentine und die Lèche-Fraye glitten weiter über einen sanft wogenden Atlantik. Die alten Matrosen an Bord der Anne meinten, dies sei ein sicheres Vorzeichen für ein großes Unglück, einen schweren Sturm etwa. Es war ihnen nicht geheuer, daß sie so lange bei ruhigen und gleichmäßigen Winden segelten. Aber der Sturm blieb aus. Ein stetiger Nordost trieb die Schiffe über die langen, gleichmäßigen Wellen immer weiter gen Westen, der Neuen Welt entgegen.
    Die Stimmung an Bord der Anne war trotzdem gedrückt. Auch nach der Hinrichtung des Buchhändlers führte de Roberval ein eisernes Regiment. Jedes kleine Vergehen wurde mit Peitschenhieben oder Kerker im Bugraum geahndet. Es war ruhig auf der Anne, aber es war die Stille eines Friedhofs.
    Das Verhältnis zwischen Marguerite und Damienne war in den Tagen nach ihrer Aussprache an einem Tiefpunkt angelangt. Sie sprachen nur das Notwendigste miteinander, und Damienne sorgte dafür, daß die Kabinentür abends stets verschlossen war. Sie schlief schlecht,

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