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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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die Tür klopfte.
    »Ja?«, fragte Damienne, die sich als Erste faßte .
    »Alles in Ordnung, Mesdames?«
    Rambures! Seine Kabine lag direkt nebenan. Offenbar hatten sie ihn geweckt. Damienne schluckte die Tränen herunter und sagte mit rauher Stimme: »Nun, Monsieur, morgen früh wird ein Mann aufgehängt, aber sonst ist alles in Ordnung, vielen Dank.«
    »Ach so, der Sträfling. Ich fürchte, Madame Lafleur, da können wir nichts machen. Am besten, Ihr versucht zu schlafen, so wie ich es auch versuchen werde, wenn Ihr mich laßt.«
    »Na, so ein Gemütsmensch«, brummte Damienne und sagte laut: »Vielen Dank für den guten Rat, Monsieur. Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht.«
    Sie nahm einen Zipfel ihres Nachthemdes und trocknete damit Marguerites Tränen.
    »Dieser Kaufmann ist zwar als Mensch eine Zumutung, aber er hat ausnahmsweise recht. Wir sollten jetzt schlafen. Über alles andere - und zwar über alles! - reden wir morgen.«
    Am nächsten Morgen wurden sie noch vor Sonnenaufgang durch Trommelschläge geweckt. Es war der 13. Mai 1542. Der Tradition entsprechend, sollte das Todesurteil vor dem ersten Sonnenstrahl vollstreckt werden.
    Marguerite lag in ihrem Bett und hörte den langsamen Wirbel der Trommel. Die Hinrichtung war öffentlich, doch ihr Onkel hatte ihr freigestellt, ob sie zusehen wollte oder nicht. Sie blieb der Hinrichtung fern. Alle anderen an Bord mußten erscheinen - auch Damienne.
    Marguerite hörte das Getrampel der vielen Füße, als sich Soldaten, Seeleute und Sträflinge an Deck versammelten. Die Trommel verstummte. Dann hörte sie eine Stimme. Es war die Stimme ihres Onkels, aber sie verstand nicht, was er sagte. Danach sprach Abbe Charles. Vermutlich war es ein Gebet für den Verurteilten. Die Trommel setzte wieder ein. Ihr langsamer Wirbel schien kein Ende nehmen zu wollen. Plötzlich brach er ab.
    Für einen Wimpernschlag lag Totenstille über dem Schiff - dann vereinzelte, helle Schreie von den Frauen der Sträflinge, die ebenfalls zusahen.
    Dann war es vorbei.
    Das Getrappel der Füße verteilte sich wieder und ein jeder an Bord ging seinen üblichen Pflichten und Beschäftigungen nach.
    Damienne erschien einige Minuten später mit düsterer Miene in der Kajüte.
    »Kein schöner Tod, das kann ich dir sagen. Der arme Kerl hat einige Sekunden gezappelt. Hat sich aber sonst wacker gehalten.«
    Sie hörten ein lautes Klatschen, das von außen kam.
    »Was war das?«, fragte Marguerite.
    »Sie werden den Leichnam über Bord geworfen haben, nehme ich an. Wir sind auf See, da ist das so üblich. Möge er auf dem Meeresgrund in Frieden ruhen!«
    Die Vorstellung, wie der noch warme Körper des Buchhändlers, mit Gewichten beschwert, langsam in den kalten Tiefen des Atlantiks versank, ließ Marguerite schaudern.
    »Es ist nur der Körper, mein Schatz«, sagte Damienne, »eine leere Hülle, nichts weiter. Laß uns für seine arme Seele beten.«
    Über dem Schiff lag den ganzen Tag über gedrückte Stimmung. Beim Mittagessen waren die Tischgäste schweigsam und nur de Roberval trug aufreizend gute Laune zur Schau. Marguerite war froh, als sie die Tafel verlassen konnte. Mit Damienne zog sie sich in ihre Kabine zurück, wie sie das nach den gemeinsamen Mahlzeiten oft taten, um zu ruhen. An diesem Tag wurde es allerdings nichts mit der Ruhe.
    »Dieser Tag hat sehr unerfreulich begonnen, und ich fürchte, er wird nicht besser werden. Also: Was war das, letzte Nacht - und wie lange geht das schon, daß ihr euch hinter meinem Rücken trefft?«
    Marguerite hatte sich vor dieser Frage gefürchtet. Ihr war klar, daß Ausflüchte und Halbwahrheiten nicht mehr helfen würden. Es würde schwer werden, auch das war ihr bewußt. Damienne war ihre Freundin, die einzige Freundin auf der ganzen Welt - und sie hatte sie belogen.
    Marguerite erzählte Damienne alles: von den heimlichen Treffen, vom Verlangen Henris, aber daß er es auch sofort akzeptiert hatte, als sie sein Begehren zurückgewiesen hatte - bis letzte Nacht. Denn da habe sie ihn so sehr gebraucht und er sei dagewesen .
    »Das glaube ich«, murmelte Damienne düster, »der Tröster in der Not. Wie selbstlos!«
    »Warum machst du ihn nur immer so schlecht?«, fragte Marguerite.
    »Ich mache ihn nicht schlechter, als er ist«, entgegnete Damienne, »aber ich mache dir keinen Vorwurf. Mir, mir mache ich Vorwürfe! Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen!«
    »Ich bereue es nicht.«
    »So? Wie tapfer. Und was, wenn du schwanger wirst? Hast du

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