Die Insel der Dämonen
gleichgültig, Herr Hauptmann.«
»Nun sehe ich Euch aber, seit wir an Bord sind, meist mehr von hinten als von vorn! Ich meine, ich sehe Euch natürlich von allen Seiten gerne, Madame, aber immer scheint Ihr gerade gehen zu wollen, wenn ich Euch treffe, und ich will sagen, ich habe fast den Eindruck, daß Ihr mir aus dem Weg geht, Madame.«
»Das tut mir leid, Herr Hauptmann.«
»Mir auch, Madame, mir auch, das könnt Ihr mir glauben. Und deshalb will ich Klarheit, Madame.«
»Klarheit? Worüber?«
»Gewißheit, ob die Gefühle, die ich für Euch habe, auch von Euch gefühlt werden, beziehungsweise, ob Ihr mir gegenüber ebensolche Gefühle habt wie ich diese Gefühle für Euch so deutlich fühle, Madame, wenn Ihr versteht, was ich meine.«
»Nicht ganz, Monsieur de Pousier, aber ich ahne es. Und deshalb kann ich Eure Frage nur mit einem Nein beantworten.«
»Nein?«
Auf dem Gesicht des Hauptmanns konnte Damienne deutlich die Enttäuschung ablesen. Er sah aus wie ein getretener Hund. Sie versuchte, den Schaden zu begrenzen: »Ich gestehe, Herr Hauptmann, daß mir Eure stattliche Erscheinung wohl zusagt, wie sie wohl jeder Frau zusagen muß. Dennoch, auch wenn Euer offener Antrag mich ehrt: Es bleibt bei einem Nein. Das hat nichts mit Euch zu tun. Ich habe meinem verstorbenen Mann - Ihr wißt, ich bin Witwe - seinerzeit ewige Treue geschworen. Daran bin ich gebunden. Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Ihr werdet zu Recht darauf verweisen, daß mein seliger Mann bereits seit über zwanzig Jahren im Grabe ruht, aber, Herr Hauptmann, die Ewigkeit dauert länger als zwanzig Jahre. Dennoch danke ich Euch für Eure Komplimente und Eure Zuneigung, und wenn ich je meinen Treueschwur brechen sollte, dann wegen eines Mannes wie Euch.«
»So ist die Antwort also Nein«, sagte der Hauptmann, und Damienne fragte sich, ob er ihr überhaupt zugehört hatte.
»Ja, Monsieur de Pousier, sie lautet Nein. Ich hoffe, Ihr versteht mich, und würde es begrüßen, wenn wir auch in Zukunft Freunde bleiben könnten.«
»Freunde?«, fragte de Pousier matt.
»Gewiß, Monsieur, Freunde. Doch jetzt entschuldigt mich. Es ist Zeit, zu Bett zu gehen. Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Monsieur.«
»Gute Nacht, Madame«, echote de Pousier und sah ihr starr nach.
Sie wollte also bloß Freundschaft, nicht mehr. Dabei hatte sie ihm gerade ein Messer ins Herz gestoßen - de Pousier war sicher, daß Freunde so etwas nicht taten. Und diese Geschichte von der Treue zu ihrem verstorbenen Mann - sie mußte ihn für ziemlich verblödet halten! Oder meinte sie es am Ende doch ernst? Nein, hinter alldem mußte etwas anderes stecken! Er würde die Augen offen halten und dahinterkommen, das nahm er sich vor.
Irgend etwas war faul an dieser Angelegenheit. Sie war nicht aufrichtig zu ihm, das spürte er. Zumindest bildete er sich das ein, sicher war er sich nicht. Dennoch, man trieb keine Spielchen mit Hauptmann de Pousier, nicht mit ihm!
»Was war denn?«, fragte Marguerite, als Damienne zurückkam.
»Nichts«, sagte Damienne, »nur ein weiterer liebeskranker Soldat. Was diese Männer sich einbilden, nur weil sie einem mal den einen oder anderen kleinen Gefallen getan haben!«
Damienne schüttelte den Kopf. Dieser Hauptmann war noch einfältiger, als sie gedacht hatte. Aber immerhin war die Angelegenheit ein für alle Mal geklärt. Es war gut zu wissen, wie einfach er um den Finger zu wickeln war. Im Notfall würde sie sicher nicht lange brauchen, um ihn wieder schwach werden zu lassen.
Ein schlechtes Gewissen hatte sie in dieser Angelegenheit nicht. Vielleicht hatte sie seine Gefühle verletzt, aber wer konnte ahnen, daß dieser trockene Mensch überhaupt Gefühle hatte?
Sie betete ihr Abendgebet wie jeden Abend und legte sich zu Bett. Sie schlief fast sofort ein.
Marguerite dagegen lag lange wach. Sie wartete, bis der Rudergänger Mitternacht ausrief, dann stand sie auf. Sie trat an Damiennes Bett und lauschte den ruhigen Atemzügen der Schläferin.
Draußen schien der Halbmond und nur wenig von seinem Licht drang in die kleine Kajüte. Doch sie wagte nicht, eine Kerze anzuzünden. Das Schiff hob und senkte sich langsam im ruhigen Seegang des Atlantiks.
Vorsichtig tastete Marguerite nach Damiennes Nacken. Nur ganz sanft berührte sie ihre Haut. Dann fühlte sie das Seidenband. Damienne machte einen tiefen Atemzug und drehte den Kopf zur Seite. Marguerite schlug das Herz bis zum Hals, aber Damienne wachte nicht auf. Sie nahm das dünne
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