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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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was vielleicht auch am kalten Metall des Schlüssels lag, den sie Nacht für Nacht am Seidenband um den Hals trug.
    Tagsüber ließ sie Marguerite keine Sekunde mehr aus den Augen. Bei den Spaziergängen an Deck, beim Essen, in der Kabine - immer waren die beiden zusammen, und es gab nichts, was Marguerite dagegen tun konnte. Sie sah Henri in diesen Tagen nur von Weitem. Mehr als kurze, sehnsüchtige Blicke waren nicht möglich.
    Marguerite war viel zu wütend auf Damienne, um wieder in die tiefe Traurigkeit der ersten Tage zu verfallen. Fast zwei Wochen ging das nun schon so. Sie wartete nur auf eine Gelegenheit, ihrer »Kerkermeisterin« - so nannte Marguerite sie jetzt - zu entkommen.
    Die Gelegenheit ergab sich eines Abends beim Essen in der Offiziersmesse. Die Stimmung bei Tisch war nicht sehr fröhlich. Robert Rambures hielt einen seiner weitschweifigen Vorträge - wie immer, ohne dabei das Essen einzustellen. Er behauptete, daß tüchtige Kaufleute jedes Land leicht zu hohem Wohlstand führen könnten. Desgleichen hätte man zum Beispiel von der Kirche noch nie vernommen. Offensichtlich war er auf einen neuen Streit mit Abbe Charles aus.
    Falls das sein Plan war, funktionierte er hervorragend. Abbe Charles redete sich über die heidnischen Ansichten des Kaufmanns in Rage und sprach vom Reichtum der Seele und daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel gelangte. Die beiden schrien einander fast an, obwohl Kapitän de Xaintonge sie wiederholt um Zurückhaltung bat.
    De Roberval schien der Streit nicht zu interessieren. Er schlang seine Mahlzeit wortlos hinunter und hörte dem Gespräch mit kalter Gleichgültigkeit zu. Marguerite fühlte sich plötzlich sehr unwohl und bat ihren Onkel um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen. De Roberval hatte keine Einwände. Damienne, deren Teller noch gut zur Hälfte gefüllt war, stand sofort auf und folgte Marguerite. Kaum waren die beiden durch die Tür verschwunden, sprang zur allgemeinen Überraschung Hauptmann de Pousier auf und verkündete: »Ich werde die Damen in ihre Kabine geleiten.«
    Die anderen sahen ihn erstaunt an, aber noch bevor jemand etwas sagen konnte, war der Hauptmann schon durch die Tür geeilt.
    »Es sind doch nur zehn Schritte«, sagte der Abbe verblüfft.
    »Der Hauptmann hat offenbar so wenig zu tun, daß er für einen kurzen Geleitdienst schon dankbar ist«, lachte Rambures.
    »Ich glaube eher, er ist verwundet«, sagte Dr. d’Athies und lächelte hintergründig.
    »Verwundet?«, fragte der Kaufmann. »Was meint Ihr?«
    »Durch Amors Pfeil, Monsieur Rambures, und auch wenn ich es ungern zugebe: Gegen die Verletzungen, die diese furchtbare Waffe verursacht, hat die Wissenschaft keine Medizin - im Gegensatz zu Madame Lafleur, wie mir scheint.«
    »De Pousier und die Lafleur?«, dröhnte der Kaufmann, als er endlich verstand, und er lachte so heftig, daß er sich böse verschluckte und nur durch allerlei Schulterklopfen vor dem Erstickungstod gerettet werden konnte. Die besten, weil härtesten, Schläge bekam er dabei von den knochigen Händen des Abbe Charles.
    »Auf ein Wort, Madame Lafleur«, rief de Pousier derweil Marguerite und Damienne hinterher. Es waren wirklich keine zehn Meter von der Offiziersmesse zu ihrer Kabine und die beiden waren bereits an der Tür angelangt.
    »Hauptmann?«, fragte Damienne.
    »Ich hätte da etwas zu bereden, Madame, wenn Ihr erlaubt.«
    »Hat das nicht Zeit? Wir sind sehr müde«, sagte Damienne kurz angebunden.
    »Nein, Madame, ich fürchte, es duldet keinen Aufschub.«
    »Nun gut, Marguerite, du wartest in der Kabine.«
    »Es ist abgeschlossen, Damienne.«
    »Dann nimm den Schlüssel und warte dort auf mich! Es wird nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, nicht wahr, Herr Hauptmann?«
    »Madame, ich hoffe doch, daß wir endlich einmal Gelegenheit finden -«
    »Wie gesagt, Monsieur, wir sind müde.«
    Während die beiden sich unterhielten, war es Marguerite, als habe sie kurz eine Bewegung im Schatten des Niedergangs zum Frachtraum gesehen. Sie sah noch einmal genauer hin, aber da war nichts - doch, da: Eine Hand tauchte aus dem Schatten auf und winkte ihr zu! Sie erkannte sie sofort wieder.
    Es war Henri.
    »Gib mir bitte den Schlüssel wieder, mein Kind«, wandte sich Damienne an Marguerite, »es ist besser, ich verwahre ihn. Ich bin gleich wieder zurück.«
    Sie wartete, bis Marguerite in der Kabine war, dann schloß sie die Tür ab.
    »Ihr schließt ab, Madame?«, fragte de

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