Die Insel der Krieger
mindestens so sehr um das Wohl Edas besorgt wie Ihr. « Der König schien Nalig nicht besonders zu mögen. »Dann bin ich gespannt, was Ihr mir zu sagen habt, das dem Wohl meines Volkes zuträglich ist. « »Die Göttin der Insel weiß, dass Ihr einen Feldzug gegen Syri plant und ich bin hier um Euch davon abzubringen. « Nalig hielt es für besser, offen zu sein. Der König wirkte verdutzt. »Und woher hat die Göttin dieses Wissen? « »Sie hat ihre eigenen Mittel und Wege und weiß sehr genau Bescheid über das, was hier vor sich geht. « »Dann wird sie auch wissen, dass jeden Tag Städte und Dörfer dieses Königreiches überfallen werden. « »Das wissen wir allerdings. Aber Syri trägt nicht die Verantwortung für diese Überfälle«, meinte Nalig unb e eindruckt. Es war offenkundig, dass Stella Recht hatte: Der König duldete keine Kritik und keine Widerworte. »Dann bin ich auf Eure Erklärung gespannt. « »Die sollt Ihr haben. Die Überfälle gehen von Bewohnern Eures eigenen Reiches aus und von Leuten, die keinen Ort der Welt ihr Zuhause nennen. Sie schließen sich zusammen und beg e hen die Verbrechen, von denen Ihr gehört habt. « Mit einer ungeduld i gen Handbewegung schnitt der König dem Jungen das Wort ab. »Ganze Landstriche wurden verwüstet. Häuser dem Erdboden gleic h gemacht. Keine Bande von Plünderern könnte dergleichen vollbri n gen. Zudem entstehen innere Unruhen des Ausmaßes, das Ihr schi l dert, niemals ohne Grund. Und mein Volk erfreut sich an Wohlstand und Gesundheit. « Nalig biss sich auf die Zunge, um nichts Unüberle g tes zu sagen. Als er sich gefasst hatte, meinte er: »Ihr habt Recht. Die Verwüstungen sind nicht ausschließlich Werk der Räuberscharen. Und es gibt tatsächlich eine Bedrohung, in deren Schatten die Räuber mo r den und plündern. Aber diese Bedrohung geht nicht von Syri aus und gegen sie könnt Ihr nichts ausrichten. Darum kümmern sich die Kri e ger der Insel. « Der König wurde mit jedem Augenblick ungehaltener. »Und von welcher Bedrohung redet Ihr? « Mit dieser Frage hatte Nalig gerechnet. Er berichtete von den Ferlah und ihren Flugrössern. Der König glaubte ihm offenbar kein Wort und spätestens, als Nalig erklä r te, dass gewöhnliche Menschen die Ferlah nicht sehen konnten, war seine Geduld am Ende. »Das reicht jetzt«, fuhr er den Jungen an. »Ich habe nicht die Zeit, mir Eure Märchen anzuhören. Ich habe einen Krieg vorzubereiten und solange Ihr keine Beweise für Eure G e schichten habt, will ich nichts weiter darüber hören. « Damit wandte der König sich ab. »Wartet! « Nalig schickte sich an, ihm zu folgen. Die Wachen zogen ihre Schwerter. Zwar wäre er mühelos mit ihnen fertig geworden, doch es stärkte wohl kaum das Vertrauen des Königs, wenn er vor seinem Schloss ein Blutbad anrichtete. So verfolgte er hilflos, wie der König in sein Schloss zurückging und die Wachen wieder Stellung am Tor bezogen. Nalig verließ den Berg zu Fuß. Nach dem stundenlangen Flug war er froh, sich ein wenig die Beine vertreten zu können. Was sollte er nun tun? Solange er nichts vorzuweisen hatte, würde der König ihn nicht noch einmal anhören. Kaya hätte es sicher geschafft, ihn zu überzeugen. Die Göttin schien er zu respektieren oder gar zu fürchten. Doch widerstrebte es dem Jungen, unverrichteter Dinge zurückzukehren. Und Kaya hatte nicht die Zeit, seine Reise noch einmal zu machen. Außerdem war er Edas Krieger und wenn er nicht einmal diesen Auftrag ausführen konnte, wozu war er seinem Königreich dann überhaupt von Nutzen? Nalig grübelte, bis er den Wald hinter sich gelassen hatte. Am Fuß des Berges lagen viele kleine Dörfer und auch ein paar Städte. Sie gediehen im Schutz des Schlosses offenbar gut. In den Ortschaften sah man mehr Soldaten als Einwo h ner – ein deutliches Zeichen dafür, dass der König seine Truppen zusammenzog. Es herrschte eine gedrückte Stimmung. Es wurde kaum gesprochen und die Leute blickten sich ängstlich auf den Straßen um. Nalig beschloss, sich unter das Volk zu mischen, um vielleicht etwas zu erfahren, das ihm nutzte und landete schließlich in einer Spelunke, in der die Feldarbeiter nach ihrem Arbeitstag bei einem Bier, oder auch zwei, zusammensaßen. Auch hier hätte die Stimmung ausgelassener sein können. Von einer stillen Ecke aus konnte Nalig die Gespräche der Leute verfolgen. Sie sprachen von bösen Vorboten, schlechten Zeichen und dem Krieg, der ihnen bevorstand. Ihre Gespräche waren jedoch
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