Die Insel der Krieger
ehe die Frau ihm für das, was er getan hatte, danken konnte, doch dachte Nalig, als er mit Merlin en d lich auf dem Weg zu seinem eigentlichen Ziel war, dass es gerechtfe r tigt war, ein Unrecht zu begehen, wenn man dadurch größeres U n recht verhindern konnte. Die Kunst bestand darin, zu erkennen, wann dies der Fall war und wann man nur zu seinem eigenen Vorteil hande l te. Für diese Erkenntnis und seinen neu entfachten Kampfgeist hatte sich die Reise auf jeden Fall gelohnt.
Der Vormittag verlief ereignislos. Der Wind stand günstig und sie kamen schnell voran. Nur ein quälender Hunger erschwerte die Reise. Nalig musste sich eingestehen, dass er durch das Leben auf der Insel diesbezüglich verwöhnt war. Drei Mahlzeiten am Tag hatte er zu se i ner Zeit in Serefil nicht bekommen. Gerade am Ende des Winters, wenn die Vorräte zur Neige gingen, hatte es durchaus Tage gegeben, an denen er überhaupt nichts in den Magen bekommen hatte. Als er kurz nach Mittag ein Waldstück überflog, in dem viele Walnussbäume standen, konnte er nicht anders, als Merlin landen zu lassen, um seine Taschen mit Nüssen vollzustopfen. Dass er dadurch vermutlich erns t haften Schwierigkeiten entgangen war, wurde ihm erst bewusst, als Merlin ihn darauf aufmerksam machte. Der Falke saß in der Krone eines Baumes und übermittelte Nalig Bilder von zwölf Ferlah, die auf den Rücken ihrer geflügelten Gefährten über den Wald hinwegflogen. Nalig verharrte still und blickte hinauf. Die Bäume standen nicht dicht genug, um die Sicht auf den Himmel vollständig zu verdecken. So konnte er die Schatten über sich hinweggleiten sehen. Er wartete noch eine Weile, ehe er es wagte, weiter zu fliegen. Gegen zwölf dieser Kr e aturen konnte er nichts ausrichten. Darum würden sich Kaya und die anderen kümmern müssen. Durch das Auftauchen der Ferlah vorsic h tig geworden, drehte sich Nalig im Flug immer wieder um. Laut Kayas Karte war er nahe der Stelle, an der Jurays Verfolgungsjagd ein so unglückliches Ende genommen hatte. Schon kamen die Hügel in Sicht, hinter denen sie ihm aufgelauert hatten. Es war mehr schon eine kleine Bergkette. Nalig hielt den Atem an, als Merlin darüber hinwegglitt. Doch keine Ferlah und keine schwarzen Flugechsen tauchten auf, um ihn in die Zange zu nehmen. Allerdings konnte man nicht behaupten, dass es hier keine dieser Wesen gab. Auf der anderen Seite, am Fuße der Hügel, lagen sieben verrenkte, schwarze Gestalten. Scheinbar hatte Juray sich nicht kampflos ergeben. Die Faszination und der Schrecken über diesen Anblick waren so groß, dass Nalig landete. Bedächtig schritt er zwischen den toten Wesen hindurch. Der Schauplatz ließ einige Rückschlüsse darauf zu, was sich hier abgespielt hatte. Eine Menge Abdrücke großer, ledriger Füße kennzeichnete die Stelle, an der die Ungetüme gelauert hatten. Ein paar Pfotenabdrücke zeigten auße r dem, dass die Ferlah Jurays Marder auf die Erde niedergezwungen hatten. Blut, das über die gesamte Bergkette verteilt war, ließ erahnen, welch eine Schlacht am Himmel getobt hatte. Die Flugrösser der Ferlah, die hier lagen, waren auf ganz unterschiedliche Weise gesto r ben. Eines lag mit zerfetzten Flügeln und verrenkten Gliedern zw i schen zwei Felsen. Ein anderes lag in einem See getrockneten Blutes weit weg vom zugehörigen Kopf. Nalig fragte sich, ob er im Angesicht des Todes kühn genug gewesen wäre, so viele der Kreaturen mit in den Tod zu nehmen. Eine Weile stand der Junge schweigend da und gedachte des verstorbenen Kriegers. Dann musste er weiter. Was Nalig schleierhaft bleib, war allerdings, wo Jurays Begleiter geblieben war. Kein riesiger, toter Marder lag zwischen den Kreaturen. Auch Aro und Rigo hatten ihn nicht mitgebracht.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als Nalig das Schloss im Dunst erkannte. Hier im Norden begrenzte ein Gebirge das Köni g reich. Das Schloss war an einen bewaldeten Berghang gebaut, sodass die Landschaft ringsum gut zu überblicken war. Das Bauwerk war bedeutend größer als das Haupthaus des Tempels. Zum ersten Mal, seit er aufgebrochen war, fühlte Nalig sich beklommen. Was, wenn der König ihn nicht anhörte? Oder ihm nicht glaubte? Als Nalig sein Ziel erreicht hatte, kreiste Merlin noch ein paar Mal über dem Schloss. Es hatte nur einen Eingang. Zumindest war nur einer zu sehen und er war gut bewacht. Es gab einen Schlossgarten, der wie der Innenhof des Tempels von Mauern umgeben war. Dort gab es viele Käfige, die exotische
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