Die Insel der Krieger
hielten sie sicheren Abstand. Ihr Anführer sah scheinbar seine Felle davonschwimmen. »Schluss damit«, brüllte er. Seine Gefolgsleute hoben die Köpfe und auch Nalig wandte sich um. Der Mann hatte einen Dolch gezogen, den er gegen die Kehle des gefesselten Jungen drückte. »Wenn du nicht willst, dass er seinem Vater bald Gesellschaft leistet, dann lässt du jetzt deine Waffen fallen. « Die Männer musterten Nalig gespannt. Jener zögerte. Fünf Männer waren mehr als genug, um ihn zu töten, wenn er unbewaffnet war. »Wird’s bald? « , rief der Anführer und drückte die Klinge so fest an Rothas Kehle, dass ein Rinnsal Blut daran hinablief. Nalig ließ Stab und Schwert los. Er spürte, wie Merlins aufgewühlter Geist zu ihm Kontakt aufnahm, mahnte den Vogel jedoch nichts Unüberlegtes zu tun. Der Mann schnitt unterdessen Rothas Fesseln durch und legte den Dolch gleich wieder an seinen Hals. »Geh fünf Schritte zurück«, forderte er. Während Nalig von seinen Waffen zurücktrat, kam der Mann näher und schob Rotha vor sich her wie einen lebenden Schild. Auf seinem geschwollenen Gesicht spiegelte sich grausame Genugt u ung. Er griff Naligs Stab vom Boden. Drohend ging er auf den Jungen zu. Dieser wich vor ihm zurück. »Bleib stehen«, befahl der Mann. »Mach nur eine Bewegung und der Junge ist tot. « In Rothas Augen standen Tränen der Furcht. »Ich sage dir, wie das hier enden wird«, raunte der Mann. Er stand direkt vor Nalig. »Du wirst hier sterben«, teilte er mit und schlug den Goldzedernstab gegen Naligs Schienbein. Der Junge keuchte, riss sich jedoch zusammen und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. »Und dieses Stinktier verkaufen wir an einen Sklavenhändler. « Er deutete mit einem Kopfrucken auf Rotha und stieß Nalig die Spitze des Stabes so heftig in den Magen, dass er in die Knie ging. Mit vor Schmerz vernebeltem Blick sah er die Siegesg e wissheit in den Augen des Mannes. »Aber keine Sorge, seine Mutter bekommt das Geld, das wir mit ihm verdienen. Ist das nicht überaus großzügig? « Als der Mann mit dem Stab nach Naligs Kopf ausholte, durchschnitt ein Schrei die Luft, so schrill und laut, dass die Männer vor Schmerz zusammenbrachen. Nur Rotha und Nalig blieben von der Wirkung verschont. Der Dolch entglitt den Fingern des Mannes, der durch Merlins Schrei wie gelähmt war. Nalig packte Rotha am Arm und zog ihn hinter sich. Merlin brach durch die Baumkronen und schirmte die Jungen vor den Männern ab, die ihn zwar nicht sahen, den scharfen Schnabel jedoch durchaus spürten. Nachdem Nalig sich sein Schwert zurückgeholt hatte, standen er und der Anführer der Diebesbande sich alleine gegenüber. »Lass uns gehen und betritt die Stadt nie wieder«, forderte Nalig. Sein Kontrahent glaubte offenbar noch immer, den Kampf gewinnen zu können. Er zog sein Schwert und ging auf Nalig los. Der Junge wehrte seine Schläge ohne Mühe ab. Sie waren vorhersehbar, viel zu langsam und kraftloser als er es g e wohnt war. Mit einem gezielten Gegenschlag entledigte er den Mann seiner Waffe, die sich in den sandigen Boden bohrte und stecken blieb. Als der Mann seinen am Boden liegenden Dolch ergriff und auf Nalig zustürmte, stieß dieser ihm mit einer einzigen Bewegung seine Klinge in die Brust. Der Dolch fiel aus der erhobenen Hand. Nalig zog sein Schwert aus dem Körper des Mannes, der mit dem Gesicht nach unten zu seinen Füßen liegen blieb. Der Junge betrachtete ihn, doch er fühlte kein Bedauern, keine Regung eines schlechten Gewissens. Er hatte diesen Mann getötet. In vollem Bewusstsein seines Handelns. Der Grund dafür, dass er dieses Mal geschafft hatte, was ihn zuvor im Kampf hatte verzagen lassen, war wohl, dass Rothas Verteidigung gegen diesen Mann greifbarer war als die Verteidigung eines ganzen Dorfes voll unbekannter Menschen gegen ein heranstürmendes Heer. Hinter sich hörte Nalig ein Schluchzen. Er drehte sich um und sah, wie Rotha weinte und sich den Knebel aus dem Mund zog. An diesem Morgen hatte er mehr mit angesehen, als für einen Jungen seines A l ters gut war. Nalig steckte sein Schwert weg und umarmte den schluchzenden Jungen. Nachdem Rotha eine Menge Tränen in den Mantel seines Retters geweint hatte, lotste dieser ihn zu Merlin hi n über. Der Flug auf dem riesigen, unsichtbaren Falken faszinierte und erschreckte ihn gleichermaßen. Das tränenreiche Wiedersehen zw i schen Rotha und seiner Mutter bestätigte Nalig in der Ansicht, richtig gehandelt zu haben. Zwar ging er,
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