Die Insel der Krieger
es«, versicherte Nalig. Als Lina fort war, holte er dem verstörten Mädchen ein Glas Wasser aus der Küche. Vorsichtig nahm Ilia es entgegen, bemüht, Naligs Hand nicht zu b e rühren. Sie sah den Jungen an, als fürchte sie, sein Gesicht würde plötzlich verschwinden. Angespannt lauschte Nalig nach seltsamen Geräuschen und fuhr zusammen, als etwas gegen das Fenster pochte. Ilias Augen weiteten sich angstvoll. Doch es war nur Merlin, der dra u ßen auf dem Fenstersims saß. Der Junge ließ den Vogel herein. »Du warst wirklich eine große Hilfe«, schimpfte er. Sein Begleiter flog auf den Bettpfosten und plusterte sich auf. »Was war das nur? « , hauchte Ilia, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte. Nalig setzte sich zu ihr aufs Bett. »Ich dachte wirklich, das wärst du«, versicherte sie Nalig und sah ihn noch immer argwöhnisch an. »Ich weiß«, erwiderte Nalig und nahm ihre Hand. »Hat es dir etwas getan? « Sie schüttelte den Kopf. »Hat es mit dir gesprochen? « Abermals Kopfschütteln. Lina kam z u rück, gefolgt von Kaya. Während die Köchin noch den Abdruck ihres Kissens im Gesicht hatte, machte die Göttin nicht den Eindruck, als sei sie verschlafen oder gerade aufgewacht. »Was ist geschehen? « , fragte sie. »Das Grauen ohne Gesicht war hier«, erklärte Nalig. »Und ich weiß jetzt, weshalb die Götter ihm diesen Namen gaben. « Er b e richtete, was vorgefallen war. Kaya folgte seiner Erzählung mit Bestü r zung. »Dass es so weit gehen würde, hätte ich nicht gedacht. « Nalig kaute auf seiner Zunge. Er fand, dass Kaya es besser hätte wissen müssen. »Was könnte es damit bezweckt haben? « , fragte er und schluckte seinen Ärger so gut es ging hinunter. Die Göttin musterte Ilia. Da klopfte es und noch jemand kam herein. Es war Mira und sie hatte Eldo bei sich. Der Wolf drängte sich an der Kräuterfrau vorbei, kaum dass sie die Tür geöffnet hatte und wankte auf Ilia zu. »Er hat völlig verrückt gespielt«, meinte Mira verständnislos. »Ist plötzlich aufgesprungen und wollte unbedingt hinaus. « Ihr Blick fiel auf Ilia. »Meine Güte, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. « Sie nahm das Mädchen in Augenschein, dessen Gesicht kaum mehr Farbe hatte als sein Haar. Kaya ging mit Nalig in die Küche. »Ich weiß nicht, was es damit bezweckt haben könnte«, kam die Göttin auf seine Frage zurück. »Aber feststeht wohl, dass es nichts Gutes gewesen sein kann. « »Wir müssen die anderen warnen. Das Grauen ist in der Lage, Me n schen täuschend echt zu imitieren. Das hättet Ihr sehen sollen. Ich war selbst kurz davor zu glauben, dass ich das bin. Jeder, der nicht weiß, dass das Grauen hier sein Unwesen treibt, ist in Gefahr. « Die Göttin nickte einsichtig. »Na schön, wir werden alle Inselbewohner warnen. Am besten sofort. « Sie ging zurück in die Kammer, um Lina, Mira und Ilia aufzuklären. Nalig schickte sich an, Zalari, Aro, Thorix und Stella zu wecken.
Stella schreckte auf, als sich die Tür öffnete. Das Klopfen hatte sie gar nicht gehört. Aila fauchte, als jemand ins Zimmer trat. »Ruhig, mein Mädchen«, mahnte Stella. »Das ist doch nur Nalig. Deine Augen müssten doch im Dunkeln besser sein als meine. « »Geht es dir be s ser? « , fragte Nalig. Seine Stimme klang seltsam. »Stimmt etwas nicht? « , erkundigte sich Stella argwöhnisch. »Ich muss mit dir reden«, erwiderte Nalig und setzte sich auf ihr Bett. Aila verkroch sich fauchend daru n ter. »Was ist nur mit ihr los? « , fragte sich Stella und versuchte, Naligs Gesicht auszumachen.
Zalari, Aro und Thorix standen in ihren Nachthemden auf dem Gang und folgten Naligs Bericht. Zalari kannte einen Teil der G e schichte schon. Aro und Thorix waren völlig entgeistert. »Wie kommt es, dass ich in all den Jahren, die ich schon hier bin, nie etwas davon gehört habe? « Aro wirkte skeptisch. »Weil Kaya bislang dachte, es würde keine Rolle spielen. Und wir hatten auch nur eine sehr vage Vorstellung davon, was das Grauen ist und tut. « Thorix blickte nac h denklich zur Decke. »Als Greon mir letzte Nacht im Innenhof e r schienen ist, glaubst du, das war auch das Grauen? « »Auf jeden Fall war es in der Nacht dort. Hast du Greons Gesicht gesehen? « »Ja. Es sah aus wie immer. « »Das kann eigentlich nicht sein. Und du bist dir sicher, dass du nicht nur geträumt hast? « »So sicher, wie ich mir bin, jetzt hier zu stehen. « Nalig hatte keine Erklärung. »Vielleicht solltest du zur Sicherheit im
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