Die Insel der Krieger
Tempel schlafen«, schlug er vor. »Ich lasse Kazard nicht alleine. « »Dann schlaft doch im Speisesaal. Ich denke, wir sollten kein unnötiges Risiko eingehen. « Nalig ging zurück zu Ilias Kammer. Mira hatte das Mädchen gründlich in Augenschein genommen und war sicher, dass ihm nichts fehlte. Die Frage war nur: Hatte das Grauen Ilia nichts getan, weil es nicht wollte oder weil es nicht konnte? Kaya kam kurz darauf hinzu. »Hato und Jiro wissen Bescheid«, teilte sie mit. »Wie sieht es mit den übrigen Kriegern aus? « »Aro, Zalari und Thorix habe ich aufgeklärt. Stella war nicht in ihrem Zimmer. « Die Augen der Gö t tin weiteten sich. »Wo könnte sie zu dieser Zeit sein? « »Vermutlich wollte sie nur etwas frische Luft schnappen. « Noch war Nalig durch Stellas Abwesenheit nicht beunruhigt. Wenn sie aufgestanden war, bedeutete das immerhin, dass es ihr besser ging. »Niemand sollte alle i ne bei Nacht umherwandern, solange das Grauen sein Unwesen treibt«, meinte Kaya hingegen unbehaglich. »Sie ist nicht alleine. Sie hat Aila bei sich und die Begleittiere scheinen sehr sensibel auf die Anw e senheit des Grauens zu reagieren. « Er warf einen Blick auf Merlin. Damit gingen alle zu Bett. Eldo blieb in der Kammer. Die Gefahr, in der seine Begleiterin geschwebt hatte, hatte seine Genesung rasch vorangetrieben. »Womöglich war es auch Miras Mondkraut«, überlegte Nalig. Ilia schlief bald. Sie schien sich durch seine und Eldos Anw e senheit sicher zu fühlen. Nalig hingegen ließ die Begegnung mit dem Grauen nicht zur Ruhe kommen. Wo steckte es in diesem Augenblick? Und was hatte es als Nächstes vor? Wann immer ein Geräusch zu vernehmen war, auch wenn es nur das Rauschen des Windes in den Bäumen oder das Knacken eines verbrennenden Holzscheites war, spitzte Nalig mit angehaltenem Atem die Ohren. Heilfroh war er, als die Nacht vorüber war und die Vögel begannen, den neuen Tag einz u läuten.
Noch ehe es ganz hell war, ging Nalig zu Stellas Zimmer. Er fand es ebenso verwaist vor wie in der vorigen Nacht. Nalig sah sich im Raum um. Die Decke lag noch genauso auf dem Bett, wie bei seinem letzten Besuch. Stella hatte also seither nicht mehr hier geschlafen. Sie war auf keinen Fall in der Verfassung für eine Nachtwanderung gew e sen. Was hatte sie dazu bewogen, das Zimmer zu verlassen und was hinderte sie nun daran zurückzukehren? Allmählich beschlich Nalig ein ungutes Gefühl. Ungeduldig wartete er, bis auch alle anderen Inselb e wohner erwachten, um sie über Stellas Verschwinden aufzuklären. »Wir sollten nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen«, beschloss Kaya, wirkte jedoch nicht so, als beherzigte sie selbst diesen Ratschlag. »Dennoch sollten wir sie schnellstmöglich finden. Sie ist die Einzige, die nicht vor dem Grauen gewarnt ist. « So begann eine Suche, die sich über den gesamten Tag erstreckte. Die Inselbewohner suchten jeweils zu zweit. Niemand sollte alleine unterwegs sein und dem Grauen eine Gelegenheit bieten, ihn zu täuschen. Ilia blieb in ihrem Bett. Kaya war bei ihr, da Eldo noch nicht so weit auf den Beinen war, dass sie ihm zutraute, das Mädchen zu beschützen, an dem das Grauen ein so o f fensichtliches Interesse hatte. In unregelmäßigen Zeitabständen keh r ten die Suchenden zurück, um etwas zu essen, sich kurz auszuruhen und den anderen eine Nachricht zu hinterlassen, dass die Suche bislang ohne Erfolg geblieben war. Nalig machte sich mit Zalari auf den Weg. Aro, der verletzt war, suchte mit Jiro den Tempel ab. Mira und Lina suchten in der unmittelbaren Nähe des Tempels und Thorix bildete einen Suchtrupp mit Hato. Nalig und Zalari gingen zuerst zu der Lic h tung, auf der Stella mit ihnen beiden schon trainiert hatte. Dann mac h ten sie sich auf zu dem kleinen See, an dem Stella ihr Lager aufgeschl a gen hatte. Auch dort war keine Spur von ihr zu finden, doch das Grauen war eindeutig da gewesen. »Meine Güte«, murmelte Zalari. Das gesamte Ufer war schwarz. Ganze Bäume waren verdorrt. Sie standen da wie schaurige Skelette und schwarzes Laub segelte zu B o den. Die Überreste toter Tiere fanden sich hier und da. Auch diese waren ungewöhnlich kalt, genau wie jene, die Nalig im Innenhof g e funden hatte. Die Jungen erkannten Vögel, Wiesel, Kaninchen und auch ein paar Rehe. Keines der Tiere besaß noch Augen und Schna u ze. »Das Grauen muss hier einige Zeit verbracht haben. « Zalari b e trachtete eines der toten Rehe näher, dessen Schädel deutlich zu sehen war, wo das
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