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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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ereignete
sich einer jener Zwischenfälle, die Menschen dazu treiben können, sich einen
Stein um den Hals zu hängen und sich in einen Brunnen zu stürzen. Der Große
Gouverneur war wieder einmal verschwunden, und ich kletterte ein zweites Mal
durch ein Fenster ins Innere des Palastes, um den Anschluß nicht zu verlieren.
Als wir ihn erspähten, führte er seine Leute gerade in den Audienzsaal. Meister
Li brummte zufrieden vor sich hin, als er sah, wie der Gouverneur die Tür
hinter seinem thronartigen Sessel öffnete und mit seinen Männern die Treppe
hinaufstieg. Jetzt brauchten wir nichts weiter zu tun, als außen an der Mauer
zu seinen Privatgemächern hinaufzuklettern und zu warten, bis er durch die Tür
trat, die aus dem Mittelturm dorthin führte. Wenn er dann wieder wegging,
konnten wir sicher sein, daß er die Räume, auf die wir es abgesehen hatten,
durchsucht hatte. Meister Li würde genügend Zeit bleiben, das Geheimfach zu
öffnen, und wenn der Käfig dort nicht war, konnten wir mit Sicherheit annehmen,
ihn im Besprechungsraum im Turm zu finden. Ich stieg durch ein Seitenfenster
auf eine schmale Brüstung, die durch ein großes irdenes Abflußrohr geteilt war,
schob mich an dem Rohr vorbei und näherte mich einem anderen Fenster, als ein
Soldat den Kopf herausstreckte und sich mit den Ellbogen auf die Fensterbank
stützte. Ich konnte mich gerade noch in den Schatten hinter dem Abflußrohr
außer Sichtweite bringen. Der Wachsoldat blickte zwar nicht in meine Richtung,
aber solange er sich dort befand, konnte ich mich keinen Zentimeter von der
Stelle rühren. »So ein verdammtes Pech«, hörte ich ihn knurren. »Was beschwerst
du dich? Wir haben doch immer so ein Glück, zum Teufel noch mal«, fiel eine
zweite mißmutige Stimme ein. Gleich darauf streckte ein weiterer Soldat den
Kopf zum Fenster heraus.
    »Man sollte meinen, wir
könnten nur ein einziges Mal zum Dienst auf der angenehmen Seite eingeteilt
werden«, fuhr der erste fort. »Ist es zu fassen? Hier stehen wir und glotzen
den Mond an, und was sehen die Kameraden auf der anderen Seite? Bauer
Hong, das sehen sie, und wir können es nicht mal hören .« »Na und? Wir werden jede Menge darüber hören. Wieder und wieder, und
jeder wird sagen, daß es das größte Spektakel aller Zeiten war .« Der zweite Soldat spuckte zornig in die Tiefe, dann griff
er unter sein Hemd. »Hier. Wir haben es verdient .« Ich
stöhnte innerlich. Er brachte einen Weinschlauch von beachtlicher Größe zum
Vorschein, und wenn sie sich entschlossen, hier im Mondschein am Fenster
stehenzubleiben... Genau das taten sie, und da saßen wir nun fest. Stunden
schienen zu vergehen. Der Mond bewegte sich in die falsche Richtung, so daß der
Schatten, den das Abflußrohr warf, immer schmaler und schmaler wurde, bis ich
beim Hinschauen merkte, daß ich meine Sandalen nicht mehr aus einem dünnen
milchweißen Lichtstreifen zurückziehen konnte. Nur noch wenige Minuten, dann
würde Meister Li vor einer sehr schweren Entscheidung stehen, denn wenn uns die
Soldaten entdeckten, blieb uns kaum eine andere Wahl, als sie zu töten, um
Gefahr von uns abzuwenden. Glücklicherweise blieben ihm derartig drastische
Maßnahmen erspart. Seine Stimme bebte vor Erleichterung, als sie endlich den
Weinschlauch wegwarfen und sich durch den Raum zum Korridor hin entfernten.

»Gehen wir«, flüsterte der
alte Mann. »Wenn das Geheimfach ein einfaches Schloß hat, bleibt uns vielleicht
noch genügend Zeit .« Ich eilte zurück, so schnell ich
konnte, und als ich um die südliche Mauerecke bog, hätte mich das tosende
Gelächter um ein Haar von den Füßen gerissen. Ich blickte hinunter in den Hof,
wo ich den Wagen deutlich erkennen konnte und feststellte, daß wir uns dem Ende
der ersten Hälfte des Stückes näherten. »Bauer Hong ist ziemlich lang und
in zwei Akte aufgeteilt, damit sich der Puppenspieler in der Pause dazwischen ausruhen
kann. Das Ende des ersten Teils ist möglicherweise die berühmteste Theaterszene
überhaupt, und es kommt darin nicht eine einzige Zeile eines Dialogs vor,
obwohl es ein Drittel des ersten Aktes einnimmt. Der Schauplatz hat sich in
Mutter Hsiens Freudenhaus verlagert, wohin Fu-mo und Fu-ching das erbeutete
Schwein gebracht haben. Der Siegelbewahrer Po hatte endlich begriffen, daß mit
seiner Frau irgend etwas nicht in Ordnung ist, hat
sich in das Bordell aufgemacht, um sie dort zu suchen. Sie verfolgt den Bauern
Hong, der wiederum sein Schwein verfolgt, und die Szene

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