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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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kann. Es ist
allerdings möglich, daß ich völlig auf dem Holzweg bin .« Wie ich schon sagte, blickten wir in den Hof und auf Yen Shihs Wagen hinunter,
vor dem sich die Festgäste versammelt hatten. Den Wagen selbst habe ich
allerdings noch nicht in allen Einzelheiten beschrieben. Er war riesig, und
eine Seite konnte heruntergelassen werden, so daß eine Bühne entstand, die
durch Schiebevorrichtungen noch zu vergrößern war. Auch die Leinwandüberdachung
konnte ausgezogen werden, und ein Schnürboden verlief von einer Seite der Bühne
zur anderen. Dort vollführte Yen Shih Kunststücke, die an Zauberei grenzten.
Der Schnürboden war ein Gewirr von Drähten und Zügen, Hebeln und Rädern, Rollen
und Pendelgewichten, und der Puppenspieler schwang sich mit der Behendigkeit
einer Katze über das Bambusgestänge, drehte mit der einen Hand hier und zog
dort, während die andere eine Unzahl von Drähten bediente, die so dünn waren,
daß sie kaum zu erkennen waren. Und unten auf der Bühne wirbelte die Hauptpuppe
herum und vollführte Sprünge und Drehungen des Drachentanzes, während im
Hintergrund ein ganzer Marionettenchor in Pirouetten kreiste. (Es ist
tatsächlich wahr, daß ein geistesverwirrter Adelsmann Yen Shih einmal verhaften
ließ, weil jener eine Puppe so wirklichkeitsgetreu geschaffen hatte, daß die
Dame Wu ihren Verführungskünsten unterlag, und nur der Fürsprache der
Fürstenmutter war es zu verdanken, daß kein größerer Skandal daraus entstand.)
Durch eine Vielzahl von Bambusrohren, die zu verschiedenen Teilen der Bühne
hinunterführten, leitete der Puppenspieler die Stimmen der darstellenden Puppen
nach unten. In komplizierten Stücken half Yu Lan hinter einem Wandschirm
verborgen mit, indem sie die Stimmen von Frauen und Kindern lieferte und das
Bühnenbild betätigte: der Hintergrund war auf Leinwandkulissen aufgemalt, die
vier verschiedene Blickwinkel suggerieren konnten, wenn man sie drehte.
Außerdem brachte Yu Lan wahre Wunderwerke mit Laternen zuwege.
    Meister Li erklärte mir im
Brustton der Überzeugung, daß Yen Shih der größte Puppenspieler war, den er je
gesehen hatte, vermutlich sogar der bedeutendste, der je gelebt hatte. Ich
erwähne das in einem Anfall von Selbstmitleid. Als Höhepunkt des Abends würde
Yen Shih sein Meisterstück in Szene setzen, und ich mußte es mir entgehen
lassen.
    Zimbeln schlugen an, die
Zuschauer brachen in Jubelrufe aus, und der Vorhang teilte sich. Auf der hell
erleuchteten Bühne war eine berühmte Kulisse zu sehen: zur Linken Haus und
Palast des Siegelbewahrers Po, zur Rechten Mutter Hsiens Freudenhaus, das
Bordell der Stadt. Das Jubelgeschrei schwoll an, als die ersten beiden Puppen
Fu-mo (der Korrekte) und Fu-ching (der Clown) erschienen, die das Publikum in
Stimmung bringen würden, bevor sie ihre Rollen in dem Stück übernahmen. Ihre
traditionelle Aufgabe ist es, in raschem Wortwechsel lokale Würdenträger auf
die Schippe zu nehmen und aktuelle Skandale spöttisch zu beleuchten, wobei sie
jede Spitze mit lärmend gespielter Empörung begleiten und sich gegenseitig
Schweineblasen um die Ohren hauen. Große Teile des Dialogs, der zu uns
heraufwehte, ergaben keinen Sinn für mich, aber schallendes Gelächter aus dem
Publikum deutete darauf hin, daß Yen Shih gute Arbeit geleistet hatte. Dann
entwickelten Fu-mo und Fu-ching die Rollen, die ihnen in dem Stück zugewiesen
waren: sie bejammerten die Tatsache, daß ängstliche Hausbesitzer sich wieder
auf Schlösser, verriegelte Türen und scharfe Wachhunde besannen, daß durch den
Einsatz von Wildhütern das Wildern gefährlich geworden war, daß es kaum
Geldbörsen zu entwenden gab und daß der letzte leicht zu schröpfende Dummkopf
vor einem Monat in der Stadt gewesen war. Während sich diese Szene abspielte,
versuchte ich, den Großen Gouverneur zu beschwören. »Bleib, bleib«, flehte ich
leise bei mir. »Sieh es dir bis zum Ende an, bevor du anfängst, selbst auf die
Suche zu gehen .« Yu Lan schlug die Pipasaiten an, und
mir stiegen die Tränen in die Augen, als ich die ersten Zeilen des berühmtesten
Liedes auf der ganzen zivilisierten Welt hörte, gesungen in einem so
unverfälscht bäuerlichen Tonfall, daß man Schlamm und Mist beinahe riechen
konnte.
    »Ich bin ein armer
Bauer, der keine Sorgen hat,
    Pfeif auf die feinen
Pinkel, drüben in der Stadt,
    Was brauch' ich Opern
mit Kreischen und Applaus,
    Hör ich doch lieber die
Kröten im Teich, hinterm Haus !«
    Auf die Stimme folgte

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