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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Getreideschrot und Melasse vermischte. Aus der Masse formte ich
kleine Bälle, dann beugte ich mich aus dem Fenster, warf sie in den Burggraben
und sah zu, wie die Fische danach schnappten. Die Kleider der Schlange gingen
in Flammen auf. Seine unbrennbaren Besitztümer wurden bis zur Unkenntlichkeit
geschmolzen, bevor sie sich zu den Knochenbällchen gesellten und, begleitet vom
Rülpsen und Gurgeln der Fische, langsam auf den Grund sanken. Von der Schlange
blieb nichts übrig als eine Fülle köstlicher Speisen, die am folgenden Abend
zum Festmahl des Großen Gouverneurs in festgelegter Reihenfolge aufgetragen
wurden. Meine gesellschaftliche Stellung brachte mir natürlich keine Einladung
ein, und für Yen Shih galt das gleiche. Meister Li und Yu Lan jedoch waren als
Ehrengäste geladen, und es war mir eine große Erleichterung, zu wissen, daß Yu
Lan niemals Fleisch aß. Wie ich schon sagte, nahm ich nicht an dem Essen teil,
hörte aber zufriedene Bemerkungen der Gäste beim Abschied, unter anderem das
Urteil zweier überaus lebhafter Herren.
    »Ein bißchen fett für
meinen Geschmack, aber recht gute Küche«, bemerkte der Oberste Priester von
Yen-men, und sein konfuzianischer Kollege ergänzte: »Ein saftiger Genuß .« »Grgllgh !« war mein Kommentar.
    12
    Meister Li und Yu Lan
schützten Müdigkeit vor, und die beiden empfahlen sich, bevor das Festmahl mit
ermüdenden Ansprachen zu Ende war. Yu Lan stahl sich davon, legte, um sich
ungehinderter bewegen zu können, Männerkleider an und schwärzte Gesicht und
Hände. Sie machte sich bereit, ihrem Vater zu helfen, während ich mit Meister
Li auf einer kleinen Brüstung der Schloßmauer saß und hinunter in den Burghof
blickte, wo der Sessel des Großen Gouverneurs vor Yen Shihs Wagen aufgestellt
worden war. Wie Meister Li berichtete, hatte sich der Große Gouverneur nicht
auf das Essen konzentrieren können, weil ihm die Suchtrupps, die das Schloß
durchkämmten, immer wieder Bericht erstattet hatten, und es würde sicher nicht
mehr lange dauern, bis seine Besorgnis so groß war, daß er selbst die Führung
übernahm. Dann, sagte der Weise, würde unsere Stunde gekommen sein.
    »Ochse, wir müssen den
Käfig des Gouverneurs an uns bringen«, drängte Meister Li. »Diese unglaublichen
Dinger können offensichtlich Bilder und Töne durch halb China übertragen,
vielleicht sogar noch weiter, und wenn wir rechtzeitig herausfinden können, wie
sie funktionieren, gelingt es uns möglicherweise, mit dem Himmlischen Meister
in Verbindung zu treten, bevor man ihm die Kehle durchschneidet.«
    »Würden sie das wagen ?« fragte ich erschrocken. »Aus den aufgeregten Worten des
ersten Mandarins, dessen Gesicht auftauchte, können wir nahezu sicher
schließen, daß der Himmlische Meister irgend etwas vorhat, um sie zu
Unvorsichtigkeiten zu verleiten, aber ich bezweifle, daß er sich der
Gefährlichkeit seines Unternehmens bewußt ist«, erklärte er finster. »Einem Mandarin,
der fürchtet, sein Geld zu verlieren, ist alles zuzutrauen, und in diesem Fall
müssen sie sogar damit rechnen, daß ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird .«
    Bei dem Gedanken, daß
Menschen wie Li die Katze und seine Helfer Wildschwein, Hyäne und Schakal den
frommen alten Herrn belauerten wie tollwütige Ratten, jagte mir ein Schauer
über den Rük-ken.
    »Ehrwürdiger Meister, ist
Euch je von etwas Ähnlichem wie diesen erstaunlichen Käfigen zu Ohren gekommen ?« erkundigte ich mich.
    Er kaute nachdenklich an
seinem schütteren Bart. »Ich weiß nicht recht«, sagte er dann. »Su O beschreibt
in seinem Tu Yang Tsa Pien den Spiegel der Unsterblichen, den er im Land
Lin gesehen hat. Er spricht von einem von den Ärzten benutzten Kristall. Wenn
ein Patient davorstand, wurde er durchsichtig, so daß der Arzt seine inneren
Organe untersuchen oder Knochenbrüche feststellen konnte. Nun ist Su O
natürlich nicht der allerzuverläs-sigste Zeuge, doch in diesem Fall wurde sein
Bericht durch eine angesehene Quelle, das Hsi Ching Tsa Chi bestätigt,
in dem die Beschreibung wiederholt und durch die zusätzliche Information
ergänzt wird, daß der Kristall vier Fuß breit und fünf Fuß, neun Zoll hoch ist.
SuO versichert darüber hinaus, daß es kleinere, tragbare Ausgaben gibt, die
Perlen der Wahrnehmung genannt werden, und das ist die nächste Verbindung zu
den Käfigen, die ich mir denken kann. Mir scheint, daß das Funktionsprinzip des
einen sich nicht allzu sehr von dem des anderen unterscheiden

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