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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Bohea-Tee Tribut-Tee
zu machen ?«
    Ich lief rot an. »Nein,
Meister«, antwortete ich. »Preußischblau, Gips und Pulver aus der Frucht der
Tamarinde«,
    sagte er geduldig.
»Letzteres ist ein seltener Stoff. Er wird nur in kleinen Mengen eingeführt,
und man braucht eine Konzession, um ihn zu kaufen. Ein Vermächtnis des
unbeklagt verblichenen Legalismus ist die Vorschrift, daß ein Betrieb, der eine
solche Konzession beantragt, die Namen aller Vorstandsmitglieder auflisten muß.
Dennoch kann Diskretion bewahrt bleiben, da diese Listen unter dem Firmennamen
abgelegt werden. Ein Prüfer muß diesen Namen wissen, bevor er die Akte
verlangen kann, und manche der Namen sind wirklich genial. Nimm einmal an, du
wärest Mandarin und würdest zu einer Teefälscherbande gehören. Nimm an, ihr
könntet mit Hilfe alter Käfige miteinander in Verbindung treten, nimm an, der
Zweck dieser Käfige wurde durch einen Reibedruck von einem uralten Relief
offenbart, und nimm außerdem an, ihr wolltet verhindern, daß irgend jemand
deine Akte in die Hände bekommt. Welchen Namen würdest du deiner Firma geben ?« Er wußte sehr wohl, daß ich ihm darauf keine Antwort
geben konnte. Eine Weile ließ er mich in meiner Ahnungslosigkeit schmoren, dann
zog er ein Stück Papier hervor, auf das ein Buchhalter zuvorkommend eine Liste
der Vorstandsmitglieder unter den Firmennamen! gesetzt hatte, den Meister Li
angegeben hatte: Himmelsflamme Todesvögel Geister Boot Regen Rennen
Teegesellschaft mbH.
    »Und das ist die ganze
Bande ?« fragte ich anerkennend. »Genau. Alle Kerle,
die ihre Hände im Spiel haben, einschließlich Li die Katze und zwei weitere
Eunuchen im Ministerrang«, antwortete Meister Li. »Ich hoffe nur...«
    Er sprach den Satz nicht zu
Ende. Was er sagen wollte, war: Ich hoffe nur, der Himmlische Meister ist
heil und bei Sinnen und in der Lage, uns zu helfen . Die Sorge nahm wieder Besitz von ihm, und er schwieg den Rest des Weges bis zur
Halle der Literarischen Weisheit. Dort erklärte man uns, daß wir den
Himmlischen Meister knapp verfehlt hatten, da er soeben zu seinem
Morgenspaziergang aufgebrochen war, daß wir ihn jedoch sicher auf dem Weg
finden würden, der zum Palast der jungen Prinzen führte. Meister Li schickte
die Sänftenträger fort, um zu Fuß den Heiligen zu suchen. Wir stießen einen
tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als wir vor uns die unverwechselbare
Gestalt des Himmlischen Meisters erkannten, der sich mühsam auf seinen Krücken
zur Neun-Drachen-Wand schleppte. Er hatte sich nicht verändert, seit wir ihn
das letzte Mal gesehen hatten.
    »Ich hatte Folterungen
befürchtet«, bemerkte Meister Li leise. Das hatte ich auch, denn nur das oder
schieren Wahnsinn konnte ich mir als Grund für die Unterschrift des Heiligen
unter jenem entsetzlichen Hinrichtungsbefehl vorstellen. Jetzt mußte Meister Li
die Möglichkeit ins Auge fassen, daß er sich in der Beurteilung einer
Handschrift zum ersten Mal geirrt hatte und die Unterschrift gefälscht war,
doch diese Vorstellung schien ihn nicht zu beunruhigen. Er war fast fröhlich
gestimmt, während wir die Abkürzung nahmen, die am Schützengarten vorbeiführte,
doch als wir die Neun-Drachen-Wand erreichten, war der Himmlische Meister nicht
dort.
    »Ha! Das war eine
erstaunliche optische Täuschung«, bemerkte Meister Li. »Ich hätte schwören
können, daß er hier war, aber sieh nur, dort .«
    Er deutete nach rechts, und
mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich in weiter Ferne eine kleine,
gebückte und schwer auf Krücken gestützte Gestalt sah, die sich wie eine
arthritische Schnecke vom Tor der Preisverleihung zum Tor des Friedlichen
Alters schleppte.
    »Trag mich lieber. Jemand
muß ihm geholfen haben, und es ist viel zu heiß für meine wackligen Beine .«
    Ich nahm den alten Mann auf
den Rücken und setzte mich in Bewegung, aber bald hatten wir, da wir uns
zwischen hohen Hecken hindurchschlängeln mußten, den Heiligen aus den Augen
verloren. Die Parkanlagen in der Verbotenen Stadt sind für Aristokraten bestimmt,
nicht für Bauern, darum sind die Aussichtspunkte in Augenhöhe für diejenigen
angelegt, die sich behaglich in einer Sänfte fortbewegen. Fußgänger können
nicht viel sehen, wenn sie nicht gerade eine Lichtung erreicht haben, und als
ich auf einer solchen anlangte, blieb ich so plötzlich stehen, daß ich Meister
Li um ein Haar über meinen Kopf nach vorn katapultiert hätte. Nachdem er seinen
Platz wieder eingenommen hatte, fragte ich

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