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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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aus
denen leiser Schluckauf tönt .« »Wirt Tu...«
    »Der Schluckauf kommt von
weichen Einsiedlerkrebsen, die in mit Meersalz, schwarzem Szetschuan-Pfeffer
und Anis gewürztem Reiswein schwimmen und so besoffen sind, daß es ihnen nicht
das geringste ausmacht, wenn die Leute sie aus der
Schale löffeln und roh verspeisen. Wie die Ratten. Am anderen Ende der Skala
finden sich Elefanten, versteht sich, und die Elefantenfüße des Südens gehören
zu den großen Delikatessen der Welt, sofern man sich vor der Galle in acht nimmt. Bei den Elefanten befindet sich die Galle in den
Füßen, und sie wechselt mit den Jahreszeiten von einem Fuß in den anderen. Ein
Fuß, der frei von Gallensaft ist, wird mit Datteln gefüllt und in einem
süßsauren Gemisch aus Essig und Honig gebacken. Das einzige, was die Leute im
Süden nicht essen, ist...«
    »Wirt Sechsten Grades Tu !« donnerte Meister Li. »Was ist mit einem Wesen, das halb
wie ein Mensch und halb wie ein Affe aussieht, eine silbergraue Stirn, blaue
Wangen, eine rote Nase und ein gelbes Kinn hat und Neid genannt wird?« »Neid, o
ja, ja. Neid war natürlich an allem schuld. Seinetwegen kehrten die Götter der
Erde den Rücken, war die Sonne bereit, den Himmel zu entflammen, und die
Pestvögel waren gerüstet, herunterzustoßen. Wegen der Sonnenwende, versteht
Ihr. Wenn die Sonnenwende nicht stattfand und die Erde immer heißer wurde -
aber an dieser Stelle traten die Acht Gelehrten Herren auf den Plan, und als
sie fertig waren mit Neid, war er so zahm wie ein Lamm, und genau das ist es,
was sie im Süden nicht essen. Ich glaube, es handelt sich dabei um eine
Verwechslung mit der Lamm- leber, die giftig sein kann, wenn man sie mit
Schweinefleisch ißt. Genauso, wie gewöhnlicher Ingwer giftig sein kann, wenn
man ihn mit Hasen- oder Pferdefleisch zubereitet - wobei Pferdefleisch auch
ohne diese Zugabe giftig wirken kann. Kaiser Ching schwor darauf, daß
Pferdenieren tödlich sind, und Kaiser Wu-ti erzählte Luan Ta, dem kaiserlichen
Geisterbeschwörer, daß sein Vorgänger nach dem Verzehr von Pferdeleber das
Zeitliche gesegnet hatte. Wenn man allerdings ein Pferdeherz trocknet, zu
Pulver zerreibt und mit Wein vermischt, bewirkt es die Wiederherstellung des
Gedächtnisses, und man kann Schlaflosigkeit heilen, indem man auf einem
Pferdeschädel als Kissen schläft...« »Wirt...«
    »... und eine andere
Verwendung für Pferde führt uns zum Lamm zurück. Im unzivilisierten Rom wachsen
die Lämmer aus der Erde wie Rüben, und wenn sie anfangen, auszutreiben,
errichten die Bauern Zäune um die Felder, um Raubtiere fernzuhalten. Die
kleinen Lämmer sind noch durch die Nabelschnur mit der Erde verbunden, und es
wäre gefährlich, sie durchzuschneiden. Darum holen die Bauern Pferde und lassen
sie um den Zaun herumgaloppieren .« »Wirt...«
    »Die Lämmer bekommen Angst
und trennen die Nabelschnur selbst durch. Dann schwärmen sie aus, um Gras und
Wasser zu suchen, und wenn ich ein Lamm bekomme, hebe ich gern ein paar Stücke
aus der Keule für Erlesene-Acht-Löwenkopf auf, ein Gericht, das
natürlich keine Faser Löwenfleisch enthält: Lamm, Ly-chee, Flußmuscheln, Schweinefleisch,
Wurst, Schinken, Garnelen und Seegurke. Der Name ist eigentlich lächerlich,
denn Löwen-kopf ist in der Sprache der Feinschmecker nichts weiter als
eine große Wurst. Ich nehme an, daß der Irrtum durch einen beschwipsten
Schreiber zustande kam, der shi-zi, also Löwe verstand, während
der Koch in Wirklichkeit li-zi, also Lychee gesagt hatte, genau
wie im Falle des Fischgerichts, das...« »Wirt Tu !« Meister Lis Stimme überschlug sich. Und jetzt muß ich gestehen, daß ich an
dieser Stelle abschaltete. Ich sah, wie sich der gräßliche Mund des Wirts
öffnete und schloß, hörte aber nichts als ein Zirpen, als säße eine Grille in
meinem Schädel, und ich glaube nicht, daß ich damit der einzige war. Der
oberste Henker Pekings saß mit einem albernen Lächeln und glasigen Augen am
Tisch und lauschte offenbar dem Zwitschern der Vögelein im Wald. Er wirkte
nicht erfreut, als Meister Li ihn schließlich aus seinen Träumen riß.
    Meister Li hatte nichts
Nützliches erfahren. Er ging zu Teufelshand und beredete etwas mit ihm, das ich
nicht verstehen konnte, aber dem Henker weitere Ausrufe wie: »Ihr seid verrückt !« und »Die ganze Welt ist wahnsinnig geworden!« entlockte.
Schließlich schickten wir uns zum Gehen an. Teufelshand zerrte den Gefangenen
unter Kettengerassel davon, und in den

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