Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
Vom Netzwerk:
der Hitze durch den Garten und schlugen eine Schneise der Verwüstung durch Johannas Orchideenzucht. Carl und Roy, die kurz vor ihrem vierten Geburtstag standen, gerieten in ihrer Lebendigkeit und Verschmitztheit ganz nach ihrer Mutter. Manchmal fragte sich Johanna, ob die robusten Zwillinge der richtige Umgang für den beinahe zwei Jahre jüngeren und erheblich zarteren Hermann waren. Doch ihr Sohn liebte es, mit Carl und Roy zusammen zu sein, und so hatte Johanna sich mit seinen ständig aufgeschlagenen Knien und den Beulen auf der Stirn abgefunden.
    Johannas Lider wurden schwer, doch zu viel ging ihr durch den Kopf, als dass sie hätte schlafen können. Unauffällig musterte sie Friedrich. Er hatte sich am gestrigen Tag mit Bowie getroffen und war mit düsterer Miene zurückgekehrt. Als Johanna ihn nach der Unterredung fragte, hatte er sie brüsk mit den Worten zurückgewiesen, sie würde von Geschäften ohnehin nichts verstehen. Seitdem war er in Schweigen versunken. Johanna hätte seine Sorgen gern mit ihm geteilt. Aus Gesprächen mit anderen Kaufleuten beim letzten gesellschaftlichen Diner wusste sie, dass er sich nicht als Einziger Gedanken über die Zukunft machte. Der Arrow-Krieg in China, zu dessen ersten Opfern Johannas Vater zählte, war zugunsten der Briten und ihrer Verbündeten entschieden, und die endlich ratifizierten Verträge von Tientsin öffneten weitere Häfen des Riesenreichs dem internationalen Handel, was einerseits begrüßenswert war, andererseits die Stellung Singapurs als wichtigstem Umschlaghafen der Region gefährdete. Friedrich hatte Johanna immer im Glauben gelassen, seine Geschäfte liefen gut, doch mittlerweile zweifelte sie an seinen Aussagen. Jedermann in Singapur hatte Einbußen zu verzeichnen, warum sollte ausgerechnet das kleine, junge Handelshaus
Von Trebow Trading
nicht davon betroffen sein? Unbehaglich registrierte sie, wie Friedrich gedankenverloren am bereits dritten Whisky des Tages nippte.
    Ohne Vorwarnung schlug das Johlen und Lachen der Kinder in Gezeter und Wutgeheul um und riss Johanna aus ihren Gedanken. Diesmal schien es um mehr zu gehen als nur ein paar Kratzer. Sitis Stimme drang an ihr Ohr. Die Malaiin sprach mit großer Dringlichkeit auf die Jungen ein, und tatsächlich erstarb das Geschrei, nur um im nächsten Moment umso schriller wieder anzusteigen. Alarmiert sprang Johanna auf und rannte in den Garten. Sie fand die heulenden Kinder fest aneinandergeklammert hinter dem Haus. Siti stand mit in die Seiten gestemmten Händen vor ihnen.
    »Was ist hier los?«
    »Sie waren ungezogen!«, rief Siti. »Ich habe ihnen gesagt, wenn sie sich nicht bessern, kommt die Hantu Kopek und holt sie.«
    Johanna explodierte. »Lass die Kinder mit deinen Geistergeschichten in Ruhe! Meinst du, sie gehorchen besser, wenn sie von nun an Angst vor jeder alten Frau haben?«
    »Nicht vor jeder«, verteidigte sich Siti. »Aber mit der Hantu Kopek ist nicht zu spaßen.«
    »Das stimmt.«
    Johanna fuhr herum. Angelockt von dem Gezeter hatte sich mittlerweile auch Ping eingefunden, Alwine, Mercy und als letzter Friedrich folgten langsamer um die Hausecke.
    »Du nicht auch noch, Ping.« Johanna war ernsthaft verärgert. »Dies ist ein christlicher Haushalt, also hütet euch davor, die Kinder mit eurem Aberglauben einzuschüchtern.« Johanna strich den Jungen beruhigend über die Köpfe. Vergeblich.
    Plötzlich erschallte lautes Lachen. Sofort verstummten Heulen und Streit, während sich aller Augen auf den Neuankömmling richteten.
    Es dauerte einige Herzschläge, bis Johanna den Mann erkannte; der ehemals volle, dunkelbraune Bart war einem markanten Schnauzer gewichen, der sein Gesicht längst nicht mehr so düster wirken ließ wie noch bei ihrer Hochzeit, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Der Gast war Henry Farnell. Und er war so gut gelaunt, wie sie ihn nie zuvor erlebt hatte.
    Fröhlich begrüßte er alle Anwesenden, die Kinderfrauen und Lim eingeschlossen, verspätete Weihnachtswünsche wurden ausgetauscht, und im Handumdrehen war ein Tisch im Schatten des Tamarindenbaums aufgebaut. Siti wurde nach drüben geschickt, um Andrew Robinson zu der spontanen Gesellschaft zu laden, während Lim und Ping auf die Schnelle gezauberte Erfrischungen heranschleppten.
    Sobald alle saßen, konnte Mercy ihre Neugierde nicht mehr unterdrücken und bat Farnell, über Hongkong und seine Reisen zu berichten.
    »Das mache ich gern«, sagte er. »Aber wo ist eigentlich Fräulein Leah? Sie war ja

Weitere Kostenlose Bücher