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Die Insel der Orchideen

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Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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nicht auch noch der Schreck über den Bankrott von
D’Almeida & Sons
und vielen anderen in den Gliedern? Ich befürchte, noch viele Handelshäuser mehr hätten in den letzten Jahren aufgeben müssen, wären wir gezwungen worden, eine Hafengebühr zu erheben. Und die kleinen Häuser, wie das Ihres Mannes, sind in solchen Zeiten natürlich als Erste betroffen.« Er lächelte so gönnerhaft, dass Johanna am liebsten trotzig mit dem Fuß aufgestampft hätte. Sie schätzte Scott, doch heute war sie offensichtlich zu dünnhäutig, um sich mit den Männern zu messen.
    »Selbstverständlich lese ich die Zeitung, deshalb kenne ich auch die Zahlen und Statistiken. Singapur ist heute einer der am stärksten florierenden Häfen des gesamten Empires. Unsere Insel ist zu günstig gelegen, als dass die Schiffe sie ignorieren könnten. Stamford Raffles hat den Platz nicht umsonst gewählt.«
    »Touché.« Thomas Scott verbeugte sich leicht vor Johanna. »Ich bitte um Vergebung, sollte ich den Anschein erweckt haben, Ihre Meinung nicht ernst zu nehmen.« Mit diesen Worten fasste Scott den dicken Rüpel ins Auge, der sich unter seinem Blick wand und schließlich in ungeordnetem Rückzug davonstolperte.
    »Der wird hier jedenfalls keinen Erfolg haben«, murmelte Scott. »Viel zu dumm.«
    Die Verbliebenen brachen in Gelächter aus.
    Mercy, mittlerweile vom Buffet zurückgekehrt, zwickte Johanna in den Arm. »Sieh nur, dort schwebt unser sauertöpfischer Engel heran. Ich frage mich wirklich, womit Henry diese Xanthippe verdient hat.«
    »Mercy! Zügle deine Zunge. Oder sei wenigstens etwas leiser.«
    »Ist doch wahr.«
    Bevor Amelia und Henry das Grüppchen um Johanna erreichten, wurden sie von Abu Bakar ibni Daing Ibrahim, dem malaiischen Herrscher des Sultanats Johor, und seiner aus Malaien und Chinesen bestehenden Entourage aufgehalten, was Johanna die Muße gab, die beiden eingehend zu betrachten. Sie hatte die Farnells länger nicht gesehen; Henry war erst vor wenigen Tagen aus Hongkong zurückgekehrt. Und Amelia? Entgegen aller Beteuerungen bei ihrer Ankunft waren Johanna und sie nie Freundinnen geworden. Amelia verhielt sich ihr gegenüber so feindselig, dass Johanna es aufgegeben hatte, ihre Nähe zu suchen.
    Amelia sah betörend aus. Obwohl sie bereits zwei Kinder geboren hatte und, so munkelte man, ein drittes unterwegs war, wirkte ihr schlanker Körper noch immer jugendlich. Sie hatte ein maigrünes Kleid mit tiefem Ausschnitt gewählt, der die Grenzen der Schicklichkeit arg strapazierte, doch wenn sie damit Eindruck bei den Männern schinden wollte, misslang ihr dies gründlich. Zwar machten sie Amelia ihre Reverenzen, wandten sich dann aber schnell Henry zu. Mit ihrer herablassenden Art hatte sie sich in ihren fünf Jahren in der Stadt nicht viele Freunde gemacht. Henry dagegen war schnell zu einem wohlgelittenen und geachteten Mitglied der Gesellschaft aufgestiegen.
    Amelia sah sich gelangweilt um. Als sie Johanna entdeckte, schoss sie ihr einen abfälligen Blick zu und legte besitzergreifend ihre Hand auf Henrys Arm. Johanna wandte sich ab. Amelia hatte die Schwingungen zwischen ihr und Henry damals sofort gespürt. Obwohl sich Johanna und Henry nie etwas hatten zuschulden kommen lassen, besaß Amelia jedes Recht, sie abzulehnen.
    Johanna fasste Mercy am Arm. »Komm, lass uns ein wenig umhergehen.«
    »Willst du Henry nicht begrüßen?«
    »Vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit.«
    Als der Tanz begann, ließen sie und Mercy sich nicht zweimal bitten. Johanna fühlte sich dank des Champagners gelöster als am Nachmittag und genoss die Ablenkung.
    Nur einmal kehrte die Traurigkeit zurück, als sie Chee Boon Lee entdeckte. Seit Leahs Flucht hatte sie jedes Zusammentreffen mit ihm gemieden, und auch er schien nicht daran interessiert, ihre kurze Bekanntschaft von der Hochzeitsfeier aufzufrischen. Trotzdem wusste Johanna vieles über ihn. Chee Boon Lee war ein hochangesehener Bürger der Stadt, der nach dem überraschenden Tod seines Vaters das Handelshaus und alle dazugehörigen Besitzungen geerbt hatte. Er war Vater einer Tochter und eines Sohns, im selben Monat geboren wie ihre Tochter Dinah und Henrys ältester Sohn Wilson. Johanna drehte nachdenklich ihr Glas in der Hand. Ob er manchmal an Leah dachte? Ob er ebenso wie Leah sie, Johanna, für eine Verräterin hielt? Seufzend beugte sie sich vor und stellte das Glas auf ein kleines Tischchen. Als sie wieder aufblickte, stand Ross Bowie direkt vor ihr. Hektisch

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