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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Kronkolonie direkt der britischen Krone unterstellt. Wir bekommen auch einen neuen Gouverneur, und nun wollen alle wichtigen Einwohner der Stadt seinem Vorgänger Colonel Cavenagh einen ehrenvollen Abschied ausrichten.«
    »Sind wir denn wichtig?« Alwine rang sich ein Lächeln ab.
    »Eher nicht. Aber Friedrich gehört zur Kaufmannschaft, da mussten sie ihn wohl einladen.«
    »Friedrich.« Alwine seufzte. »Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen? Es tut mir unendlich leid, Kind.«
    »Warum sollte es dir leidtun, Mama? Ich wollte doch keinen anderen.«
    »Ich hätte ihn dir ausreden müssen. Niemals hätte ich zulassen dürfen, dass du die Verlobung mit Bowie löst.« Sie murmelte etwas Unverständliches und sank wieder zurück. Johanna stopfte fürsorglich eine Kissenrolle neben den dünnen Körper ihrer Mutter. Niemand konnte sagen, wie ihr Leben an Bowies Seite verlaufen wäre, darüber nachzudenken war müßig. Sie erhob sich. Das Rascheln ihres Kleides brachte die Mutter wieder zu sich.
    »Du siehst wunderhübsch aus, Johanna. Es ist wirklich schade, dass du so selten auf Bälle gehst. Deine Hauskleider sind so unansehnlich.«
    »Ach, Mama. Du lässt dich nicht unterkriegen, nicht wahr?«
    »Nein. Ich will schließlich meinen fünfzigsten Geburtstag feiern.«
    »Und deinen sechzigsten auch«, erwiderte Johanna. »Rufe nach Ping, wenn du etwas brauchst.«
    Als sie die Tür hinter sich zuzog, kämpfte sie mit den Tränen. Alwine würde ihren fünfzigsten Geburtstag wohl nicht erleben. Johanna faltete die Hände und bat Gott um Aufschub. Trotz aller Querelen liebte sie ihre Mutter und war noch nicht bereit, sie gehen zu lassen.
    »Johanna!« Mercys Ruf entlockte Johanna ein Lächeln. In all den Jahren war die Freundin ihr eine Stütze gewesen, brachte mit ihrer unverwüstlichen Fröhlichkeit auch in die schwärzesten Tage ein wenig Licht. »Kommst du freiwillig herunter, oder muss ich dich holen?«
    Johanna ging zum Fenster. Mercy winkte ihr mit einem kleinen, perfekt auf ihr Kleid abgestimmten Seidenfächer zu. Das Kleid war neu, ein orange-gelb gestreifter Traum aus Seide mit aufwendigen Raffungen und Besätzen. Andrew musste einen nicht unerheblichen Teil seines Gehalts in den Putz seiner Frau investieren. Auch er sah in seinem schwarzen Frack und den hellen Hosen aus wie aus dem Ei gepellt, doch was ihn eigentlich für Johanna einnahm, war der stolze und liebevolle Blick, mit dem er seine mollige, farbenfrohe, laute Frau bedachte. Ganz anders Friedrich, der ein paar Schritte abseits mit seinem Spazierstock auf einen Hibiskusstrauch eindrosch. Sein mürrischer Ausdruck erinnerte Johanna einmal mehr an einen trotzigen kleinen Jungen. Seufzend ging sie nach unten.
     
    Andrew hatte zwei Palanquins geordert, denn die ausladenden Kleider der Frauen verlangten nach Platz. Trotzdem quetschte sich Mercy zu Johanna in die Kutsche und überließ die andere den Männern. Als sich die Pferde in Bewegung setzten, nahm sie Johannas Hand in ihre. »Wie geht es deiner Mutter heute?«
    »Es wird schlimmer. Sie leidet fürchterliche Schmerzen, aber sie erträgt sie tapfer.«
    »Es ist so traurig.« Mercy schwieg kurz, dann ergriff sie erneut das Wort. »Ich wollte mit dir über Dinah sprechen.«
    »Hat sie etwas angestellt?«
    »Etwas angestellt? Deine Tochter? Das glaubst du doch selbst nicht.« Mercy schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Und genau darüber möchte ich mit dir reden. Obwohl sie gerade erst vier Jahre alt geworden ist, habe ich manchmal das Gefühl, eine alte Frau vor mir zu haben. Dinah lacht fast nie. Sie leidet, worunter auch immer.«
    »Es freut mich, dass du dir Sorgen machst, aber glaube mir, sie sind unbegründet. Dinah ist schlicht ein in sich gekehrtes Kind.« Johanna versuchte, einen leichten Ton anzuschlagen, doch innerlich verkrampfte sie. Unwissentlich bohrte Mercy in einer schwärenden Wunde, denn natürlich machte auch sie sich Sorgen über die Schweigsamkeit der Tochter. Schon oft hatte sie sich bang gefragt, ob die Umstände seiner Empfängnis auf das Kind abgefärbt hatten, und ebenso oft hatte sie den Gedanken als Unsinn verworfen. Und doch blieben Zweifel. Dinah war die Frucht der Gewalt, die Friedrich ihr vor fünf Jahren immer wieder angetan hatte. Erst als ihre Schwangerschaft unübersehbar wurde, hatte er nicht mehr auf seinen ehelichen Rechten bestanden – und sie danach nicht wieder eingefordert. Johanna war damals mit dem Säugling aus dem gemeinsamen Schlafzimmer in

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