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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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einem Theater, bevor der Vorhang aufgezogen wurde. Lorgnons wurden gezückt, Papier raschelte, Gesprächsfetzen flogen hin und her, bis endlich der Präsident der Royal Society, Joseph Dalton Hooker, den Vortragenden ankündigte. In gespannter Erwartung beugte sich Henry vor. Er hatte Russels vor wenigen Jahren erschienenes Werk
The Malay Archipelago
voller Begeisterung gelesen und brannte darauf, den weitgereisten Autor referieren zu hören.
    Er wurde nicht enttäuscht. Russel verlor am Rednerpult schnell seine Zurückhaltung, wortgewandt und voller Feuer berichtete er von exotischen Eingeborenenriten, riskanten Exkursionen und allerlei schillernden Abenteuern mehr, wobei er hier und da seine wissenschaftlichen Erkenntnisse einflocht – wohldosiert, da sich dieser Vortrag an interessierte Laien richtete, nicht an Wissenschaftler. Am Ende des Vortrags brandete rauschender Applaus auf. Russel verbeugte sich knapp. Henry registrierte belustigt, dass der Mann sofort wieder in seine Schüchternheit zurückfiel. Er beugte sich zu Oscar.
    »Hat es dir gefallen?«
    Oscar presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Das war Antwort genug. Ebenso wie Amelia war auch ihr Sohn nur schwer zufriedenzustellen. Wenn er daran dachte, dass Oscar eines Tages das Handelshaus übernehmen würde, grauste es Henry. Er nahm den Jungen bei der Hand und schloss sich der Menge an, die sich in einen Vorraum ergoss. Schon bildeten sich erste Gruppen, Freunde begrüßten sich überschwänglich, Diskussionen über das Gehörte flackerten auf. Henry hatte Mühe, durchzukommen, dabei wollte er zügig nach Hause und einen Brief an Johanna verfassen. Heute Abend würde er sich keine Zügel anlegen, sondern frei von der Seele schreiben.
    Sie waren kaum halb durch den Raum, als ein Bekannter Henry in ein Gespräch verwickelte. Auch der dezente Hinweis, Oscar sei müde, hielt den Mann nicht von seinem Redebedürfnis ab. Henry verharrte ergeben, ohne wirklich mitzubekommen, was ihm berichtet wurde.
    Ein Ruck ging durch die Menge, als sich plötzlich eine weibliche Stimme erhob. Die Frau war äußerst erzürnt. Alle anderen Gespräche erstarben, Hälse wurden gereckt, um nichts von dem sich anbahnenden Skandal zu verpassen.
    »Es ist nur Ihrer Borniertheit zuzuschreiben, dass sich hier nichts ändert«, ereiferte sich die Frau. »Merken Sie sich meine Worte: Eines Tages werden auch Frauen an diesem Rednerpult stehen. Und ich wage noch eine Prognose: Sie werden den Männern in keiner Weise nachstehen.«
    Henry war wie elektrisiert. Diese Stimme kannte er! Ohne sich von seinem Bekannten zu verabschieden und ungeachtet Oscars und der von allen Seiten auf ihn einhagelnden Proteste drängelte er sich zum Zentrum der Aufregung vor.
    Sie war es tatsächlich. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Leah im Kreise einiger distinguierter Herren, die sich ebenso echauffierten wie sie. Ein Wort gab das andere, aber Henry hörte nicht hin, zu sehr war er vom Anblick der verschollen Geglaubten eingenommen. Leah war zu einer ausnehmend schönen Frau gereift, die sich noch immer nicht um Modediktate bekümmerte. Unbändige dunkle Locken umtanzten ihr feines Gesicht, und auf einen Hut hatte sie verzichtet. Am bemerkenswertesten war jedoch ihre Kleidung, eine kuriose Mischung aus arabisch anmutenden Pumphosen und einem langen Kaftan. Henry gefiel es, und ebenso gefiel ihm, dass sie ihre kämpferische Ader nicht verloren hatte. Wobei sie wie immer übers Ziel hinausschoss. Schon fasste ein schlaksiger rothaariger Mann sie unterm Arm und schob sie mit sanftem Druck zum Ausgang. Henry hastete ihnen nach. Als er sie zu verlieren drohte, rief er lautstark Leahs Namen.
    Sie hörte ihn. Sofort stemmte sie sich gegen den Griff des Mannes und drehte sich um. Als sie Henrys gewahr wurde, erbleichte sie. Ihr Mund öffnete sich, aber es kam kein Laut heraus. Henry nickte dem Rothaarigen zu und verbeugte sich leicht vor Leah.
    »Ich habe Ihre Briefe vermisst«, äußerte er den ersten Gedanken, der ihm in den Sinn kam.
    »Henry Farnell.« Sie war so perplex, dass sie am Arm ihres Begleiters Halt suchte. Ihr Mann, schlussfolgerte Henry. Eine interessante Wahl. Er hätte Leah eher einen exotischen Prinzen zugetraut, nicht einen blassen und unbestreitbar hässlichen Engländer.
    Henry verbeugte sich erneut und überreichte Leah eine Karte. »Melden Sie sich doch einmal bei mir. Ich würde mich freuen.« Sie stand noch immer wie vom Donner gerührt. »Es tut mir leid, ich wollte Sie

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